Eine Komödie ist eine Komödie ist eine Komödie ist eine Komödie.
Parlez-vous français? Nein? Auch egal – bei DER VORNAME wird zwar französischer Humor ausgepackt, aber in deutscher Übersetzung. Gelungen!
„Wenn sie kein Geld für die Festspiele haben, dann sollen sie doch ins Theater gehen!“ – So oder so ähnlich könnte Marie Antoinette den Kulturhunger im Volk kommentieren und für empörten Protest sorgen. Tatsächlich funktioniert das kulturelle Paradoxon aber erstaunlich gut. Sommerzeit bedeutet in Salzburg Straßentheaterzeit – seit 1970 tourt die mobile Theaterkutsche bereits durch die Gassen und dringt bis in die hintersten Gemeinde-Winkel vor. Im Gepäck des mittlerweile modernisierten Wagens die Kulissen, davor die Stiegl-Bierkutschen-Noriker. Meistens zumindest. In Lehen wurden ‚Lord‘ und ‚Lenz‘ vom Traktor vertreten. Gut, auch schon egal, denn wegen des Regens wurde das Ganze ohnehin nach innen verlagert. Viel wichtiger ist außerdem sowieso das Spiel auf der Bühne und eine Erkenntnis.
Ganz eigentlich sind es sogar zwei Erkenntnisse. Mit Georg Clementi als neuem Intendanten im zweiten Jahr zeichnet sich eine internationale Humor-Linie ab. Nach dem italienischen Auftakt und Dario Fos BEZAHLT WIRD NICHT, steht diesen Sommer Frankreich mit DER VORNAME von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière auf dem Spielplan. Und das führt direkt zu Erkenntnis Nummer Zwei! Französische Komödien neigen zu Yasmina Reza-Strukturen. Tatsache. Die französische Autorin macht es immer wieder vor: Regisseur*in nehme ein bourgoises Milieu und ein paar Freunde*innen, mische sie mit einer Lappalie und et voilà, die harmlose Bagatelle mutiert zum explosiven Schlagabtausch – sehr zur allgemeinen Publikumserheiterung.
In aller Plotkürze
Vincent erlaubt sich einen Scherz. Bei der heiteren Gartenparty im engsten Kreis erzählt er Familie und Freunden, dass seine schwangere Lebensgefährtin Anna und er den gemeinsamen Sohn ‚Adolphe‘ nennen werden. Das sitzt. Adolphe? Die anderen können es nicht fassen. ‚Adolphe‘ klinge ja wie ‚Adolf‘ und da ist die rechte Assoziation nicht fern. Aufgeregt reden alle durcheinander und wollen Vincent zur Räson bringen. Der genießt seinen kleinen Scherz auf Kosten der anderen in vollen Zügen, bis die Situation außer Kontrolle gerät und jahrelange Freundschaften plötzlich auf der Kippe stehen.
Service? Exzellent
Georg Clementi bleibt der französischen Note der Komödien-Vorlage treu und inszenierte DER VORNAME als fröhlich heiteres Studiostück mit gestraffter Straßentheater-Kompatibilität (Ausstattung: Andreas Lungenschmid, Bühnenbau Harald Schöllbauer, Maske und Garderobe: Andrea Linse, Kulinarik: Susanne Seimel). Die Pointen werden nonchalant und im heimeligen Rahmen einer Gartenparty serviert. Das funktioniert vorzüglich, was nicht nur am Bühnenbild, sondern auch am szenischen Arrangement liegt. Das Setting hält wenig von geradliniger Bestuhlung; die Inszenierung setzt lieber auf ein Miteinander in Commedia dell’Arte-Manier und platziert den Wohnzimmertisch im Publikum. Darum herum drapieren sich die Schauspieler*innen mit Hang zur Interaktion. Immer wieder verschwimmen die Komödien-Grenzen in traditioneller Fasson, wenn Tableaus mit kleinen Häppchen durch die Zuschauerreihen gereicht und künstlerische Distanz gezielt gebrochen werden. Der Plan geht auf, das Publikum ist Teil der Gartenparty.
Komödienhandwerk
Wo Komödie draufsteht, sollte auch Komödie drin sein. Bei DER VORNAME sind diesbezüglich keinerlei Bedenken angebracht: Es fliegt der Humor und sitzt jede Pointe. Weil Regisseur G. Clementi noch dazu Schauspieler ist, mischt er sich auch gleich selbst unters Ensemble. Sein Vincent zeigt nicht nur einen Hang zu makaberen Humor; gleichzeitig oszilliert er zum auktorialen Erzähler und führt mit kleinen Seitenhieben in die Handlung ein – Fußnoten inklusive. Der Schauspieler genießt die bisweilen diabolischen Spielereien seiner Figuren sichtlich und schreckt auch vor einem lautstarken Schreianfall nicht zurück. Schwester Babou (Anja Clementi) lässt es da schon ruhiger angehen. Emsig um Frieden und Harmonie bemüht, wuselt die perfekte Personifikation einer bourgeoisen Lehrerin durch den Abend. Immer wieder eilt sie ins Kinderzimmer, um Söhnchen Adonas zu beruhigen (der zu unheimlichem Weinen tendiert, das vieles ist, nur nicht kindlich), oder in die Küche, um Nachschlag zu holen. Umso dramatischer allerdings, als unvermutet Babous charmant-bemühte Fassade bricht. Da ist sie, die emotionale Sturzflut, und bahnt sich einen so aggressiv lauten Weg nach außen, dass sogar Vincent vor Schreck verstummt. Die zweite Hälfte des Bourgeoisie-Pärchens bildet Pierre (Detlef Trippel), ein Literaturprofessor. Natürlich, wenn schon Stereotype, dann aber richtig. Deshalb heißen ihre Kinder auch Adonas und Athena. D. Trippel kostet seine Rolle voll aus: Versnobt und von sich eingenommen, korrigiert Pierre mit Vorliebe die Bildungslücken der anderen. Vor lauter Sticheleien und Sich-überlegen-Fühlen übersieht er allerdings gerne die eigenen Fehler – auf die machen ihn deshalb immer wieder wieder fürsorglich Schwester Babou und Schwager Pierre aufmerksam. Friede zieht mit Anna (Susanne Seimel) ein und… währt nicht lange (Hallo, das ist eine französische Komödie!). Denn auch die gute Laune der Schwangerschafts-Raucherin hat so ihre Grenzen, die S. Seimel mit Hingabe den Kollegen*innen an den Kopf knallt. An seine eigenen gerät auch irgendwann der ewig ausgeglichene, joviale Claude (Alex Linse). Der treue Freund verbirgt ein brisantes Geheimnis, das den Auftakt zum Crescendo der Gartenparty gibt. Köstlich!
Während es auf der Bühne langsam zu brodeln beginnt und der Theater-Topf mit starken Emotionen überzukochen droht, wird Musik drüber gestreut. Mit Eric Lebeau hat das Straßentheater seinen eigenen französischen Haus- und Hof-Musiker an Bord. Eine gelungene Ergänzung, auch wenn das musikalische Arrangement anfangs an Cluburlaub oder Kinderparty denken lässt („und jetzt alle mitsingen!“). Das Gros des Publikums stimmt trotzdem mehr als freudig ein, was offenbar nur wenige verwundert und der staunenden Verfasserin einen Rüffel von ihrer Nachbarin beschert. Später darf der Theater-Musikus mit seinen französischen Chanson-Klassikern die Streithähne und -hennen besänftigen. Der eine oder andere post-theatrale Ohrwurm springt dabei auch noch raus.
Georg Clementis DER VORNAME ist so französisch, wie eine französische Komödie im Ausland nur sein kann, und noch viel mehr – kein Wunder also, dass sich die Produktion anfühlt wie ein kleines Stück Frankreich – in Salzburg! Nachschlag gefällig? Das Straßentheater tourt noch bis Mitte August durchs Land.. 😉
Termine Straßentheater
Fotonachweis: Birgit Probst
Wunderbar umgesetzt, großartig gespielt, kurzweilig und sehr amüsant!!! Danke!!!