Neue Spielzeit, neues Glück: DIE WANZE am Schauspielhaus Salzburg
Saisonauftakt mit kompaktem Kammerspiel aus junger Dramaturgie-Feder: Das Schauspielhaus Salzburg tastet sich an den Normalbetrieb heran.
„In einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit.“ Einmal Karel Gott zum Hier-Ansehen bitte. Tatsächlich scheint „Die Wanze“ im Foyer des Schauspielhaus auf den ersten Blick der bekannten Zeichentrickserie sehr ähnlich. Ein bisschen wie Biene Maja, nur erwachsener. Gut, das mag daran liegen, dass auf der Bühne auch keine niedliche Vorzeige-Biene ihr Unwesen treibt, egal ob pummelig oder nicht. Dafür pirscht ein Schauspieler in Columbo-Trench durch einen imaginären Garten. Statt Comic also Schauspiel und das basiert, hier schließt sich der Kreis, auf Paul Shiptons Kinderbuch „Die Wanze“. Das ist im deutschsprachigen Raum relativ unbekannt, was für die Dramatisierung spricht. Endlich neuer Stoff, endlich Nachschub. Spannendes Detail: Erstmals eröffnet ein kompaktes Kammerspiel die neue Spielzeit und eben kein opulentes Ensemblestück, und das ist nebenbei auch noch ein Dramaturgiedebüt. Wenn das kein vorsichtiges, aber optimistisches Herantasten an den Normalbetrieb ist.
In aller Plot-Kürze
Er hat sechs Beine, einen Panzer und eine Mission. Wanze Muldoon ist kein normaler Käfer, sondern einer mit detektivischem Spürsinn bis in die Fühlerspitzen. Als solcher macht sich der Privatdetektiv auf und versucht das rasante Verschwinden der Fauna in seinem Garten zu ergründen. Da geht es doch nicht mit rechten Dingen zu. Und tatsächlich, alsbald kommt der findige Käfer einem echten Komplott auf die Spur. Das ist auch gut so, denn die Zeit drängt.
Wenn Tiere Menschen wären
Auf den zweiten Blick hat Tabea Baumanns Inszenierung dann allerhöchsten seine anthropomorphe Ausrichtung mit Maja und Willi gemein. Statt fleißiger Biene und faulem Sidekick steht hier aber Wanze Muldoon seinen Käfer. Tatsächlich gelingt es der Produktion mit buddhistischer Enthaltsamkeit, was Ausstattung und Bühne anbelangt, ein ganzes Bilderbuch zum Leben zu erwecken. Das liegt zum Gros an Jakob Kücher, den Alleinunterhalter dieser einstündigen Soloperformance. Dafür orientiert sich der junge Schauspieler am Mehr-ist-Mehr Prinzip. Als kriminalistische Spürnase im Stil eines Sherlock Holmes schleicht er im beigen Trenchcoats einen Inspektor Columbos und mit Converse wie Doctor Who über die Bühne und zählt akribisch seine Beweise. Da läuft sich Kücher gerade warm. Das sollte er auch, schließlich stehen ihm seine glorreichsten Stunden noch bevor, die mit leicht schizoider Note. Beispielsweise als sein bester Kumpel Jack, für den er sich immer wieder das Teesieb vor die Augen hält – Fliege verpflichtet. Oder auch als Ameise, mit wedelnden Fingern vor dem Mund – auch wenn sich das Warum letzterer Gestik nicht erschließt und latent autistische Züge birgt. Jakob Kücher zieht sie konsequent durch.
Agenten Einmaleins
In die Action-Szene investiert der Jungschauspieler sichtlich Herzblut und entsprechend körperlichen Aufwand. Blaue Flecken dürften sich danach ein Stelldichein geben. Das Publikum goutiert so viel Körpereinsatz aber auch entsprechend ausgelassen. Sehr körperlich und plastisch der Weg durch den Ameisenhaufen, der einmal mehr das Einmaleins der Agenten-Filme auf den Punkt bringt. Der beigesteuerte Soundtrack aus berühmten Soundtracks zeigt ihn wieder, den Hang dieser Inszenierung zum Erwachsensein. Kids könnten auf der Leitung bleiben, aber vielleicht schaffen die Eltern ja zur Abwechslung Licht ins Dunkel zu bringen – und nicht vice versa. Diese erwachsene Note wird durch den Text der Produktion verstärkt. Der nimmt bereits semantisch eine großen Bogen um den kindlichen Humor, diese großartige Wissenschaft für sich. Statt verdrehter Worte, Neologismen oder abenteuerlicher Satzstrukturen also Dialoge für die Großen.
„Die Wanze“ als Zeichen für einen Neuanfang. Eine neue Spielzeit, eine neue Regisseurin, ein neues Verständnis zwischen jung und alt. Und gleichzeitig auch ein Kinderstück, das in Summe viel mehr ein Stück für Junggebliebene zu sein scheint.
Fotonachweis: Christin Fuchsberger
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