BachWerkVokal Ensemble

Smells like music spirit – Ensemble BachWerkVokal

Smells like music spirit: Ensemble BachWerkVokal

„Es sind lauter Konzerte geplant, die nur darauf warten, abgesagt zu werden“. Und trotzdem launchte das Ensemble BachWerkVokal kürzlich seine neue CD und strotzt vor positiver Energie.

Harte oder weiche Pause und dennoch meilenweit von Müßiggang entfernt? Das funktioniert. Zumindest dann, wenn man BachWerkVokal heißt und als Ensemble bereits für die dritte CD probt. Dabei ist mit JESU MEINE FREUDE eben erst das zweite Album erschienen. Das hat es in sich und wird sogar von der internationalen Presse besprochen. Tatsächlich begeistert die Aufnahme mit perfekter Harmonie auf allen Ebenen. Wer sagt, dass Bach verstaubt und nur etwas für Silberfüchse ist? Das BachWerkVokal tritt zum euphorischen Gegenbeweis an. Hier sitzt jeder Ton und die Liebe zur Musik steht bei den jungen Sänger*innen und Instrumentalist*innen klar im Fokus. Im Gespräch mit dem Ensemble wird schnell deutlich, das funktioniert vor allem deshalb, weil es zwischenmenschlich auch unglaublich gut funktioniert.

„Da ist so ein Typ, der ist hier neu und hat ’ne verrückte Idee“

„Ich kam Anfang 2015 nach Salzburg und hatte die Idee, ein Ensemble zu gründen, das sich mit Bach und Alter Musik befasst“, erklärt Gordon Safari, künstlerischer Leiter des BachWerkVokal das Konzept. „Damals kannte ich noch niemanden, ich war eben aus Deutschland hierher gewechselt. Allerdings kam ich sehr schnell mit Musikerinnen und Musikern in Kontakt und habe mit ihnen über meine Ideen gesprochen. Die wiederum haben das dann in ihren Kreisen herum erzählt. Da ist so ein Typ, der ist hier neu, der hat ’ne verrückte Idee und möchte alle Bach-Kantante machen. Ich habe bewusst das Maul erstmal richtig voll genommen. Damit kam ich ins Gespräch und plötzlich hatten ziemlich viele Leute Lust mitzumachen. Im April 2015 starteten wir dann auch gleich das Projekt, mit großem Enthusiasmus.“ Beides ist geblieben und hat sich inzwischen zu etwas Großem entwickelt, bei dem Profi-Musiker*innen am Werk sind. „Allerdings ist es für fast alle von uns nur ein Standbein von vielen, aber das ist in der Musikwelt ganz normal“, fügt Tenor Maximilian Kiener hinzu. „Wir haben alle zehn Beine“, lacht Sopranistin Zsófia Szabó.

BachWerkVokal Ensemble
© Ensemble BachWerkVokal

Nun sag‘, Ensemble BachWerkVokal, wie hast du’s mit der Religion

Musik und Glaube sind in Bachs Werk eng verbunden. Er wurde von Theologe Nathan Söderblom deshalb auch als der am leichtesten zugängliche Evangelist bezeichnet. Ein Aspekt, der das Ensemble prägt? „Ich glaube, da kann jeder nur für seine Wahrnehmung sprechen“, so Gordon Safari. „Wir haben ein total diverses und plurales Ensemble in dem sehr viele Glaubensrichtungen, Ansichten und Religionen zusammenkommen. Bei uns haben schon Katholiken, Baptisten, eine Jüdin oder eine Muslima mitgesungen. Natürlich sprechen wir über Inhalte. Wir müssen darüber sprechen, weil wir sie ja auch gestalten. Eben habe ich beispielsweise etwas betreffend unserer nächsten CD an die Tafel gekritzelt. Das hat natürlich auch mit den Inhalten zu tun, mit denen sich der alte Bach auseinandersetzte. Aber er lebte in einer Zeit vor der Aufklärung und wurde in einem religiösen Weltbild erzogen, das wir heute so nicht mehr teilen.“

„Ich glaube, bei Bach war es einfach so, dass er über den Schrecken der Hölle komponierte und bei uns heißt das jetzt halt Existenzangst, aber es läuft im Prinzip ja auf dasselbe hinaus“, resümiert Tenor Alexander Hüttner. „Oder Midlife-Crisis“, wirft Maximilian Kiener ein. Bass Jakob Hoffmann bringt es für seine Kolleg*innen auf den Punkt: „Wir erfreuen uns nur an der Musik“. Und die habe bei Bach auch etwas durchaus Überzeitliches und Emergentes.

Die Krise als Chance

Aktuell ist das mit der Planungssicherheit so eine Sache. Auf exzessives Nachrichten-Hören oder fanatisches News-Streamen wird beim BachWerkVokal dennoch gerne verzichtet. „Wir haben die Zeit gut genutzt, um unsere CD aufzunehmen und arbeiten bereits an der dritten“, erklärt Maximilian Kiener. „Es tat den Projekten gut, dass nicht alle drei Wochen ein Konzert dazwischen kam.“ Sopranistin Electra Lochhead hält fest: „Wir haben auch während Corona beschlossen, dass wir im Ensemble fortan als Fixbesetzung arbeiten. Wir konnten die Zeit also nutzen, um uns umzustellen und auf die Basissachen zu konzentrieren. Wir haben auch unterschiedliche Besetzungen innerhalb der Ensemble ausprobiert. Manchmal singen wir beispielsweise doppelchörig und wir hatten uns vorher schon in eine feste Besetzung formiert. Jetzt konnten wir andere Konstellationen ausprobieren, das war sehr spannend.“

Bitte warten: Kultur in der Schleife

„Natürlich könnte man Zuhause auch Netflix anmachen oder sich ein Bier aufziehen“, wirft Gordon Safari ein. „Aber alle hier teilen sich ein Feuer. Das ist ein großer ideeller Wert, den wir weiter ausbauen wollen. Deshalb macht mich Corona schon manchmal ziemlich kribbelig.“ Ähnlich sieht das auch Jakob Hoffmann: „Man ist hin- und hergerissen. Auf der einen Seite ist es total schön, dass wir uns als Ensemble – nicht nur die Sänger*innen, sondern auch die Instrumentalist*innen – zusammenfinden und durch die Krise singen. Damit sparen wir uns übrigens auch die Klausur, in die andere für eine Woche gehen. Auf der anderen Seite verzweifelt man in seiner Grundfunktion als Künstler auch ein wenig an der Gesellschaft, wenn es dann heißt, hier wird aufgemacht, nein, jetzt doch wieder nicht, Kultur muss warten. Dann tauchen Studien auf, dass es schon sicher wäre, aber keiner hört hin.“ Trotzdem gebe es da auch die Fallkomponente der Wirtschaftlichkeit zu bedenken, wirft Hannah Vinzens ein, die neben Violoncello zu spielen auch als künstlerischer Beirat fungiert. „Das heißt, wir verdienen alle im Moment gerade extrem wenig und versuchen, dennoch etwas daraus zu machen.“

Abgesagte Konzerte

Vor zwei Tagen wurde einmal mehr ein Wettbewerb abgesagt, für den das BachWerkVokal aktuell probt. Das Ensemble entschloss sich dafür, trotzdem zu Ende zu proben. Ob es einmal im Konzert gemacht wird oder ob doch aufgenommen, könne man aktuell noch gar nicht sagen. „Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass wir umsonst proben“, findet Hannah Vinzens, „das freut mich“. „Jeder arbeitet ja an sich selbst weiter,“ pflichtet ihr Jakob Hoffmann bei. „Es ist quasi ein Vorbereiten auf die Zeit danach. Man weiß nicht, wie es weitergeht, gerade in der Freien Szene. Wird das überhaupt noch was? Das sind Fragen, die wir uns stellen. Seit über einem Jahr schlummert jetzt schon alles so vor sich hin. Aber ich denke, es wird bald alles wieder kommen. Das Hinterfragen gehört zur Zeit. Nicht im negativen Sinne, sondern es zeigt einfach, wie stark man dahinter steht. Es gibt ja auch viele Künstler, die feststellen mussten, dass es nicht mehr passt. Sei es, weil sie nicht mehr konnten, oder weil es sich finanziell nicht mehr ausging. Uns bestärkt die Krise total, weil wir da gemeinsam durchgehen und das Ziel haben, weiterzumachen.“

Das Glas ist halbvoll bei BachWerkVokal

Alexander Hüttner: „Ich glaube, es hilft auch, dass wir im Ensemble grundsätzlich eine positive Einstellung zum Leben haben. Wir sagen, gut, die Situation ist bescheiden, ja, aber man versucht trotz aller widrigen Gedanken und trotz aller Rückschläge, sich auf die positiven Dinge zu konzentrieren. Wir können mit dem Ensemble wachsen, Dinge ausprobieren. Manche Leute nutzen es, um nachzudenken, was sie in ihrem Leben eigentlich so machen. Das ist aber auch gut, weil es etwas anschiebt.“ „Genau,“ pflichtet Zsófia Szabó bei. „Wenn man die Unsicherheit akzeptiert. Es kommt dann ja irgendwie doch eine enorme Kraft raus. Man wird lebendiger, man wird stärker. Natürlich geht es nicht allen gleichmäßig gut, aber wenn es gut geht, wirkt das ansteckend.“

Kunstprojekt mit CD-Player auf der Bühne

Sollte Mitte Mai tatsächlich aufgesperrt werden, das BachWerkVokal ist gerüstet. „Es sind lauter Konzerte geplant, die nur darauf warten, abgesagt zu werden,“ erklärt Hannah Vinzens. „Und zur Not schalten wir den CD Spieler ein“, so die einstimmige Meinung. „Das wäre ein Kunstprojekt und ziemlich geil“, findet Gordon Safari. „Eine gute Anlage, Pappfiguren vom Ensemble. Dann geht einer im feinen Anzug nach vorne und drückt auf Play, alle verbeugen sich.“ Plan B steht.

Aber was ist mit Plan A? „Weniger das Machen ist ein Problem, als das Organisieren. Ist etwas abgesagt, ist es abgesagt. Das neu Planen gestaltet sich schwierig“, so Safari. Außerdem werde es dann vermutlich auch wieder Spezialregelungen geben und das Chaos groß sein, wirft Maximilian Kiener ein. Auch für die Veranstalter sei die Situation ja nicht leicht. Gordon Safari spinnt den Faden weiter. „Nehmen wir mal an, Mitte Mai wird aufgesperrt. Wir haben Oboen, Trompeten, Flöten – lauter ‚gefährliche‘ Instrumente. So sind sie zumindest aktuell tituliert. Dann acht Sängerinnen und Sänger, ebenfalls brandgefährlich. Plus Streicher und anderen Instrumente. Da stehen 25 Leute in der Kirche und dann taucht die Frage des Abstands auf. Kann man den überhaupt einhalten? Und das Publikum. Wie viele Leute dürfen rein. Im Endeffekt machen wir Verluste, wenn ich dann sage, los Leute, das machen wir – und dann sind wir pleite? Dann wäre ich kein guter Chef.“

Das Ensemble BachWerkVokal in drei Sätzen

„Erster Satz Arioso, zweiter Satz…“, beginnt Maximilian Kiener. Der Rest geht in schallendem Ensemble-Gelächter unter. „Nein, ich kann nur sagen, das ist nicht das erste Ensemble, in dem ich singe. Aber ich hatte bisher immer Glück und das hört man auch. Ich glaube, das ist auch bei uns hier eine starke Komponente. Wir mögen uns alle. Das ist nicht selbstverständlich. Gerade weil wir schon seit 2015 bestehen. Es ist leicht, ein Ensemble zu gründen. Auch die ersten fünf Konzerte sind schnell gemacht, aber dann die nächsten Schritte. Je höher man kommt, desto dünner wird die Luft. Da ist es schon etwas Besonderes, sich nach wie vor so gut zu verstehen. Aber das waren jetzt mehr als drei Sätze.“ Hannah Vinzens zeigt sich großzügig: „Kein Problem, wir bauen Kommata ein. Nein, ich denke, das trifft es schon sehr gut.“

Jakob Hoffmann ergänzt: „Wenn, dann würde ich noch hinzufügen, dass wir alle für die Musik brennen. Wie du vorher schon thematisiert hast, die Musik, unsere Religion, das ist das, was uns zusammenschweißt.“ „Unser Ensemble hat ein gutes Selbstkollektiv“, erklärt Alexander Hüttner. „Es gab schon immer Leute, die kommen und aus bestimmten Gründen wieder gehen. Du merkst zwar, ja, die sind wegen der Musik da, aber die haben auch noch andere Sachen laufen. Bei uns hingegen hat die Musik Priorität. Da ist es natürlich doppelt toll, dass das auch noch Anklang findet.“

„Das Ensemble ist der Star und du kannst ein Ensemble nur als Star positionieren, wenn es aus lauter Sternen besteht. Und so ist es auch beim BachWerkVokal. Die Leute, wie sie hier sitzen, sind alle Stars auf ihren Gebieten und genau deshalb funktioniert es so gut“, resümiert Gordon Safari und behält als Dirigent dann doch das letzte Wort.

 

Fotonachweis: Ensemble BachWerkVokal

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