Im HAFEN DER GESTRANDETEN SEHNSÜCHTE fließen Alkohol und Geschichten in Strömen. Stößchen!
Wenn ein Mädchen aus dem Publikum während eines Stücks auf die Bühne läuft und begeistert ihre Freundin herzt, die gerade als Laiendarstellerin mitwirkt, dann, ja, dann ist das nicht nur unglaublich rührend, sondern befindet man sich wohl auch gerade im HAFEN DER GESTRANDETEN SEHNSÜCHTE, dem inklusiven Theaterstück aus der LAUBE VOLXtheaterwerkstatt in der Inszenierung von Reinhold Tritscher.
Der Regisseur hat gemeinsam mit Mitgliedern der VOLXtheaterwerkstatt und Ensemblemitgliedern des Theater ecce einen höchst unterhaltsamen und etwas anderen Barausflug inszeniert (Musik: Ripoff Raskolnikov, Ausstattung: Hilde Böhm). Wobei der Name Programm ist: im HAFEN DER GESTRANDETEN SEHNSÜCHTE trifft sich alles, was die Nacht so zur Tür hereinweht. Das heißt, es gibt da eine Ausnahme; den armen Rollstuhlfahrer, der das ganze Stück vor der Bar im Nirgendwo ausharrt und auf die Mitarbeiter des Samariterbundes wartet. Bis zum Ende, da kennt er nichts. Dazwischen füllt sich die Bühne und mit ihr wird das Geschichtentableau mit üppigen Lebensträumen und Wünschen, desillusionierten Hoffnungen und Einzelschicksalen beladen, von dem sich jede*r bedienen darf. Das Angebot ist reichhaltig und spannend. Während der selbsternannte syrische Präsident lautstark nach Bier brüllt und jedes weibliche Wesen anflirtet, das sich zufällig in seiner Nähe befindet oder der Herr vom Gesundheitsamt kritisch die Küche der Bar beäugt, rotiert die verzweifelte Kellnerin, die nebenbei nicht nur ihren übermütigen und zu flapsigen Kommentaren neigenden Koch bändigen muss, sondern auch noch den Hund vor dem Herrn der Gesundheitsbehörde versteckt.
Aperol Spritz will eine Besucherin, die längere Zeit im Ausland war und laut ihrer Freundin alte Orte aufsuchen sollte, um leichter mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen. „Bei uns gibt’s nur Alkohol Spritz“, erklärt indes der Chef der etwas anderen Barlokalität und lässt selbige Flüssigkeit in Strömen fließen, während sich mehr und mehr Darsteller*innen an den Tresen gesellen. Und immer wenn das Gefühl entsteht, jetzt, jetzt sind aber alle da, dann taucht garantiert irgendwo der*die Nächste auf. Faszinierend wie viele Menschen auf so einer übersichtlichen Bühne im Studio der ARGEkultur Platz finden. Das scheint ein bisschen so wie mit den Kobolden und ihren Töpfen voller Gold in den irischen Sagen und Legenden, die sind nämlich genauso unerschöpflich.
Es sind amüsante und rührende Kurzgeschichten, die Reinhold Tritscher mit den Teilnehmer*innen der VOLXtheaterwerkstatt und den Ensemblemitgliedern des Theater ecce auf die Bühne hob. Hier wird jede*r inkludiert, auch die Laiendarsteller*innen, die mit ihren Talenten und Fähigkeiten glänzen und sich in neuen Rollen erproben dürfen. Das Ergebnis ist ein wunderbares Inklusionsstück, das angenehm anders ist und den ungewöhnlichen Charakter des HAFENS DER GESTRANDETEN SEHNSÜCHTE akzentuiert.
Den krönender Abschluss bildet übrigens ein Talentwettbewerb, bei dem getanzt, gesungen und Heidi improvisiert wird. Die Moderatorin des humorigen Events schmettert stimmgewaltig und selbstbewusst einen Song als Anmoderation in den Raum, der in Anbetracht ihrer vokalen Präsenz und all den Menschen unvermutet als beinahe zu klein erscheint, und jongliert während der einzelnen Ankündigungen mit den unterhaltsamsten Akzenten und Spracheigenheiten.
Live-Musik gibt es auch an anderer Stelle, immerhin handelt es sich ja um eine Bar. Der HAFEN DER GESTRANDETEN SEHNSÜCHTE lässt sich nicht lumpen und setzt einen eigenen Musiker (Ripoff Raskolnikov) hinter den Tresen. Der erfreut mit diversen Melodien und barlastigen Tönen. Nachtlokal-Gefühl garantiert.
Am Ende die Orgie. Okay, eine halbe vielleicht. Ausgelassen wird noch einmal angestoßen, Beziehungen entstehen, andere gehen danach vermutlich in die Brüche und dann ist auch schon Sperrstunde. Die Servicekraft flüchtet mit ihrem tierischen Begleiter durch den Regen nach Hause. Zurück bleibt der Rollstullfahrer; auf einmal wirkt alles so verlassen und ruhig, als hätte der HAFEN DER GESTRANDETEN SEHNSÜCHTE nie existiert. Alles nur ein Traum?! … 😉
Fotonachweis: Sigrid Riepl
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