Kasimir und Karoline – Salzburger Landestheater
Ein bunter Abgesang auf die Zeit: Für „Kasimir und Karoline“ schöpft Carl Philip von Maldeghem aus dem großen Potential seiner Sommerbühne im Zirkuszelt.
117 Szenen, „und zwar in unserer Zeit“. So lange soll das Spiel rund um den arbeitslosen Chauffeur Kasimir und seine Braut Karoline dauern. Und das macht Sinn, wenn man dem bunten Treiben im Zirkuszelt beiwohnt. Dorthin hat es die Produktion des Landestheaters in der Regie von Carl Philip von Maldeghem verschlagen. Das Stammhaus wird umgebaut und „Kasimir und Karoline“ darf frohlocken. Denn damit rückt es der Oktoberfestatmosphäre des Horváth’schen Originals ein großes Stück näher. Die Manege wird zum illustren Reigen des melancholischen Untergangs, eine Absage an die Moral und die Menschlichkeit und „Kasimir und Karoline“ bleibt auch weiterhin „in unserer Zeit“ verankert.
In aller Plot-Kürze
Kasimir hat gerade seine Arbeit als Chauffeur verloren. Deswegen hat er auch wenig Freude an den Attraktionen des Volksfests, auf das ihn seine Verlobte Karoline mitgenommen hat, um sich zu amüsieren. Während Karoline sich immer mehr von Kasimir abwendet – sie erträgt seinen Pessimismus nicht – und neue Männerbekanntschaften macht, begibt sich Kasimir nach und nach in die Kleinkriminalität. Die Wege der beiden kreuzen sich auf dem Fest immer wieder, nur allzu oft scheint die Versöhnung in greifbare Nähe zu rücken, doch sie gehen stets im Streit auseinander.
Oktoberfest lässt grüßen
Wo bei Horváth der Rummelplatz zum Sinnbild der Welt wird, ist es in Salzburg das Zirkuszelt. Aus der Not wird eine Tugend gemacht und die kommt erstaunlich fröhlich und erbaulich modern daher. Optisch wird mit Reizen üppig um sich geworfen (Lichtdesign: Daniela Klein) und auch die akustische Kulisse fügt sich stimmig ins kunterbunte Gesamtkonzept, wenn ein Ballermann-Hit den nächsten jagt. Zu fortgeschrittener Stunde tanzen Kellnerin (Melanie Haberlander) und Ausrufer (Dominik Tiefgraber) ausgelassen am Vordach und feuern die Menge an, dass die Szene auch der mallorquinischen Partymeile zur Ehre gereichen würde. Dazwischen entfaltet sich ein Tableau an Denkklischees, das mit Kontrast und Ironisierung jongliert und zur Absage an die Welt wird. Zugleich dreht sich das Fahrgeschäft des Lilioms (Mario Oberascher) und heizt das Spiel zusätzlich auf.
Karoline (Sarah Zaharanski) scheint dabei merkwürdig tiefenentspannt. Immer wieder versucht sie Kasimirs Ängste zu zerstreuen. Arbeitslos? Ist natürlich nicht erbaulich, aber eine brave Frau lässt ihren Mann da doch nicht hängen. Dass sie es dann doch tut, scheint in diesem Kontext von Kasimir (Maximilian Paier) motiviert. Er quengelt, mault und jammert so lange, bis es offenbar auch der sehr geduldigen Karoline zu bunt wird. Da hilft selbst das treuherzigste Hinten-nach-Trotten nichts mehr. Die gewonnene Stoffkuh wird durch das ganze Stück mitgeschleift und liegt am Ende sinnbildlich destruiert am Boden – genau wie das Frauenbild, das der Regisseur zum Opfer der Gesellschaftsmisere kürt. Und am Ende ist selbst der gelassenen Karoline all ihre Fröhlichkeit entwichen. Apathisch und marionettenhaft reiht sie sich jetzt in den pessimistischen Reigen ein. Bereit für die düstere Zukunft.
Tohuwabohu im Zirkus von „Kasimir und Karoline“
Opfer gibt es hier überhaupt so einige. Daran tut sich auch das Schauspiel-Ensemble gütlich. Der junge Schürzinger (Aaron Röll) tritt zuerst als Gigolo auf, wird dann aber erstaunlich ritterlich. Dabei scheint sein Mime kein Scharmützel auszulassen. Wo es elegant hinzufallen oder draufzuspringen gilt, Aaron Röll stürzt sich voll motiviert ins Geschehen. Dass die Figur dann noch zum Liebesnarren wird, ist eines der weiteren Extreme, die die Produktion der Figur angedeihen lässt. Kasimir (Maximilian Paier) mit dem braven Mittelscheitel indes hat irgendwann dann doch ausgeschmollt und entdeckt sein Draufgängertum. Es scheint so, als könne er nur durch Aggressivität in der kalten Depression bestehen. Noch stärker auf Krawall gebürstet ist der Merkl Franz (Georg Clementi). Clementi poltert über die Bühne und pöbelt um sich, als gäbe es kein Morgen. Tat es damals aber auch wirklich nicht und selbst in „unserer Zeit“ sind die dystopischen Assoziationen selten fern.
Mannsein ist schwer, Frausein ist auch kein Vergnügen
Bevor hier aber Horváth zum Propheten gekürt oder nihilistisch der Welt abgeschworen wird, die Ballade rund um „Kasimir und Karoline“ bietet schon noch etwas mehr an Untergangsstimmung. Wie wäre es mit toxischen alten Männern? Rauch (Axel Meinhardt) und Speer (Christoph Wieschke) werden als misogyne Zeitgenossen entlarvt, die Karolines Hoffnungen auf sozialen Aufstieg ausnutzen und ohne mit der Wimper zu zucken vereiteln. Das scheint Karoline aber ohnehin wenig zu tangieren, weil die Sache mit der Karriere in dieser Inszenierung nur ein leises Hintergrundgeräusch bleibt. Axel Meinhardt und Christoph Wieschke indes genießen ihre moralisch fragwürdigen Rollen und lassen sich mit sichtlicher Freude gehen, in dem Wissen: Theater darf (fast) alles. Die vorlauten Freundinnen Maria (Elisabeth Mackner) und Elli (Lara Roth) werden genau wie die vom Leben gebeutelte Erna (Lisa Fertner) zu weiteren Symbolen für die hoffnungslose Situation der Frauen. Auch hier wird die Verrohung deutlich, die schon der Autor anprangerte und die Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem aufgreift. Selten kommt ein Abgesang so bunt daher, wie „Kasimir und Karoline“, dieser Wolf im Schafspelz.
Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger
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