Ritter werden ist nicht schwer, Ritter sein dagegen sehr
König Artus träumt groß, aber seine Vision einer Idealgesellschaft hat so ihre Tücken. KING A am Landestheater Salzburg setzt sich modern, vorlaut und poetisch mit ritterlichen Tugenden auseinander.
Was ist ein guter Ritter? Diese Frage beschäftigt uns schon ziemlich lange. Vermutlich bereits bevor die Legende um König Artus zu existieren begann – wann genau das war, kann heute niemand mehr wirklich sagen. Zumindest wissen wir aber, dass es die Geschichte des sagenumwobenen Jugendlichen ist, der aus Zufall das berühmte Schwert aus dem Stein zieht und eher unfreiwillig zum Regenten Britanniens wird. „Spannende Geschichte, aber noch nicht aufregend genug“, dachte sich wohl – typisch Mann – Chrétien de Troyes. Deshalb ergänzte der Franzose die Legende um das eine oder andere Detail und begründete damit den Artusroman, wie wir ihn kennen. Entsprechend inspiriert griffen ihn große deutsche Dichter auf: Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg oder Wolfram von Eschenbach setzten ihm unsterbliche Denkmäler.
Was macht jetzt also einen guten Ritter aus? Tugend, Aufrichtigkeit, Mut und Loyalität. Ach ja, die Minne ist auch noch dabei – also die Liebe. Die ist sogar ziemlich wichtig, dient sie dem arthurischen Helden doch als Auslöser für seine Aventiuren (Abenteuerreisen), die er so dringend braucht wie die Luft zum Atmen. Freilich sind das alles Ideale, die großenteils der Fiktion entspringen. Daraus voreilige Rückschlüsse auf tatsächliche Lebensweisen zu schließen, wäre ungefähr so, als wenn Menschen in 1000 Jahren zufällig über „Shades of Grey“ stolperten und daraus… Ääähhhhm, lassen wir das lieber. Bei König Artus drehte sich jedenfalls alles um die höfische Idealgesellschaft, die er ausrief, und damit die ritterliche Tafelrunde begründete.
Rule, Britannia!
Was einen guten Ritter ausmacht, damit beschäftigt sich auch die humorvoll wilde, performativ kluge und turbulent poetische Inszenierung KING A (Regie: Rachel Karafistan und Kuba Pierzchalski). Es ist Meeresrauschen und Möwengeschrei, das die Zuschauer empfängt. „Ahh, Tintagel!“ liegt als Schlussfolgerung nahe – denn das idyllische Örtchen im Süden Großbritanniens benannte bereits Geoffrey of Monmouth als Sitz von König Artus, und es liegt am Meer. An einem Strand finden sich folglich auch die fünf ambitionierte Jungforscher ein – die mit kindlichem Insektenvergrößerungsglas und großer Lupe auf Spurensuche gehen. Natürlich werden sie fündig und es beginnt der aufregende Teil.
Einer für alle, alle für einen – oder so…
Das Regieteam inszenierte KING A als fließenden Stoff, der sich vor und zurück windet. Relativ rasch verweben sich die verschiedenen Ebenen auf unterschiedliche Weise. Längst schon ist nicht mehr eindeutig klar, was hier eigentlich Metaebene ist und was Rahmen- oder Binnenhandlung. Die ambitionierten Hobbyarchäologen werden zu Rittern der Tafelrunde, rollen die Geschichte rund um Artus auf und erleben sie neu: Flink und schnell schlüpfen die Darsteller*innen in ihre unterschiedlichen Rollen. Hanno Waldner wird vom sympathisch ängstlichen Artus, der das Schwert tatsächlich nur aus Versehen zieht, um seiner Schwester Kai beizustehen, zu König Artus, der souverän Befehle erteilt und auch der Eifersucht ein (fatales) Schnippchen schlägt. Kai, das Mädchen, ist eigentlich ein Junge, aber die Regie hat sich für eine spannende Gender-Variante entschieden. Trotzdem stecken zwei kritische Geister in Kai (Nikola Rudle), was sie zum Provozieren und Intrigieren prädestiniert. Gleichzeitig unterhält N. Rudle als korrupter Edelmann B wunderbar mit ihrem ausdrucksstarken Mienenspiel und streicht sich boshaft über das kleine Bärtchen, um den König im eigenen Sinne zu beeinflussen. Tapfer zur Seite, Gregor Schulz als Edelmann C (genauso maliziös wie Kollegin B) und liebenswerter Lanzelot. Tollpatschig und sich in Pose werfend stolpert er durch das Bühnenbild und gewinnt vermutlich nicht nur das Herz von Guinevere. Die legt Elisa Afie Agbaglah spannend und undurchsichtig an, wenn sie zuerst hyper-lasziv den britischen Regenten lockt, ihn später am liebsten gegen Lanzelot austauschen würde und am Schluss dann doch wieder den Vorzug gibt. Kein Wunder, dass da Artus der Kopf schwirrt. Mysteriös wird es indes bei Merlin (Tim Oberließen), der den britischen Regenten noch vor Guinevere warnt. Aber Liebe, das wissen wir, macht blind, also mischt sich Merlin kurzerhand selbst ins Geschehen ein, und trägt als mysteriöse Figur weiter zum heiteren Metaebenen-Verwirrspiel bei.
Die FARM DER TIERE erlebt ein Revival
KING A besticht mit einem puristischen, aber poetisch zeitgenössischen Stil – Kulisse und Requisite sind auf ein Mindestmaß reduziert und in angesagtem Beige-Ton gehalten (Bühne und Kostüme: Sonja Böhm). Der scheint sich in den Kammerspielen seit FARM DER TIERE zum Trend zu etablieren, ergibt aber ein äußerst homogenes Bild. Einen fast schon lyrischen Charakter verleihen die märchenhaften Schattenspiele, die die Schauspieler*innen mit Liebe zum Detail zelebrieren. Da speit der Drache Feuer, wenn sich das Ritter-Team auf Jagd begibt, und fliegen die Herzen, als Guienevere mit Artus kokettiert. Auch das Hadern mit dem Rittertum und das Finden des vermeintlich richtigen Weges werden wunderbar nach außen getragen und verbildlicht. Wenn die Recken*innen zu ihrem Ritter-Song auf hölzernen Rucksäcken abrocken, trägt das übrigens verdächtige Queen-Reminiszenzen und macht ziemlich viel Spaß – nicht nur den Menschen auf der Bühne (Musik: Kuba Pierzchalski).
Natürlich setzt sich KING A eindrucksvoll mit den ritterlichen Werten auseinander, die auch als Chiffre für Freundschaft verstanden werden könnnen. Das gelingt der Produktion auf spielerisch leichte Art und Weise. Deshalb ist es auch selbstverständlich, dass sich die Held*innen nicht so schnell von ihrem Weg abbringen lassen.
Aber… psssst, interessantes Detail am Rande – zu den mittelalterlichen Aventiuren zogen in der damaligen Literatur ja eigentlich nur Männer aus, allerdings: Wann immer ein Held ins Straucheln kam, gab es eine Dame – oftmals seine große Liebe, die einsprang, um ihn mit einer heilenden Tinktur, einem kleinen Zaubertränklein oder weisen Ratschlag das Leben zu retten (und das nicht nur einmal!). Da sage noch wer, es gab keine Ritterinnen. Man muss einfach nur genauer hinsehen…. 😉
Fotonachweis: Christina Canaval
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