Komm, süßer Erfolg! – Theater der Freien Elemente

Kleine Brüder haben es nicht leicht. Der des Vogerls stellt da keine Ausnahme dar.

In KOMM, SÜßER ERFOLG! dreht sich alles um Fortuna! Pointiert, reflektiert und ironisch ergründet die bunte Figurenschar die Abgründe des eigenen Seelenlebens.

Das Glück ist bekanntlich ein Vogerl. Genauso frei und ungestüm wie sein gefiedertes Pendant flattert es durch unser Leben. Seiner habhaft zu werden, ist alles andere als einfach. Mit dem Erfolg, dem Bruder des Glücks, ergeht es uns ähnlich. Um möglichst viel davon zu scheffeln, investieren wir jede Menge Lebenszeit, Nerven und Bares. Irgendeine Formel für den Erfolg muss es doch geben!

Mit KOMM, SÜßER ERFOLG! nimmt sich Gerda Gratzer des menschlichen Optimierungszwangs und der Sucht nach mehr an (Konzept, Texterarbeitung und Regie: G. Gratzer, Animationsfilme und Grafiken: Alexander Gratzer, Licht: Gunther Seiser). Die Regisseurin hat dafür ein Grüppchen defizitärer Weltbürger*innen auf der Bühne versammelt. „Spüren auch Sie ein Potential in sich lodern?“ Nach und nach trudeln die Kursteilnehmer*innen ein.  Nur die Leitung glänzt durch Abwesenheit. Zögerlich erfolgen sachte Annäherungen, erste Wesenszüge werden sichtbar. In zufällig zusammengewürfelter Konstellation entstehen rege Diskussionen. Träume werden offenbart, Ängste geteilt und Streit vom Zaun gebrochen. Zumindest das Streben nach Erfolg eint die grundverschiedene Gruppe und am Ende therapiert man sich halt einfach selbst.

Wenn sich wer mit Erfolgs-Strategien auskennt, so ist frau versucht einzuwerfen, dann die Regisseurin. G. Gratzer ist schließlich nicht nur im künstlerischen Bereich tätig, sondern unter anderem auch als Lebens- und Sozialberaterin aktiv. Das passt bei KOMM, SÜßER ERFOLG wie Faust auf Auge oder Topf auf Deckel. Der fachliche Hintergrund garantiert eine feinfühlige Herangehensweise und pointierte Charakterskizzen.

Seelenstriptease im Selbsthilfekurs

Die seltsame Gruppe auf der Bühne erheitert vom ersten Moment an. Jurij Diez ist ein herrlich eitler Schauspieler, der mit seinen nicht vorhandenen Erfolgen prahlt. Mit stolz geschwellter Brust erzählt er, dass das Publikum ihn liebe und ihre Augen durch seine bloße Präsenz zu funkeln beginnen. Dieser Hybris ist köstlich beizuwohnen. Besonders da sie J. Diez sogleich auf perfide Weise mit großen Gesten wieder ad absurdum führt. Rósa Kristín Baldursdóttir hüllt sich als Sängerin Gloria in mysteriöses Schweigen. Wenn sie spricht, dann multilingual – eine Hommage an die Isländerin? Oder doch aus Sprachnot entstanden? So ganz wird das nicht deutlich, aber die heitere Wort-Jonglage trägt zum elitären Status der Sängerin bei. Der frustrierten zweiten Geige leiht Julia Leckner nicht nur ihre Stimme, sondern auch jede Menge überbordendes Temperament. Als charmant bayrische Frohnatur hat Clownin Tissi Georg ihren großen Auftritt. Da trifft es sich recht fein, dass die Schauspielerin auch im tatsächlichen Leben als Clownin jede Menge gute Laune unter das Volk bringt. Bei so viel weiblicher Dominanz hat es dann allerdings der Architekt (Josef Geigl) nicht leicht und verliert an Präsenz. Das scheint für den schüchternen Herrn Diplom-Ingenieur aber auch durchaus passend.

Szenen und Optimierung

Der Einstieg in KOMM, SÜßER ERFOLG! ist stark. Humorige Momente und Situationskomik gehen nahtlos ineinander über. Erst gegen Ende hin schleichen sich kleine Längen ein. Das mit dem Optimierungsstreben hat also doch so seine Vorteile. Einige Minuten weniger und die kluge Komödie hätte noch mehr davon profitiert.

Alexander Gratzer kreierte für die Produktion kleine Animationsfilme, die in der Retrospektive ihre Wirkungskraft entfalten. Das ist der Zeitpunkt, wo sich die Serie als Film im Stück outet. Die filmische Metaebene ist plötzlich erahnbar, komplett mit Prolog und Epilog. Als besonders gelungen ist aber auch die musikalische Untermalung zu betonen. Die drei Damen (wir erinnern uns: die mysteriöse Sängerin, die frustrierte zweite Geige und die fröhliche Clownin) können nämlich tatsächlich singen – und das sogar sehr gut! Das eigens auf das Stück abgestimmte Repertoire ist gefällig und sorgt stellenweise für einige Erheiterung. Immerhin steht da der KOMM, SÜßER ERFOLG!-eigene Background-Chor auf der Bühne.
Wunderbar gestaltet sich die Umsetzung der Träume; die Chaos-Truppe aus der Selbsthilfe-Gruppe (das reimt sich!) wird dafür kurzerhand zur Traumaufstellung zweckentfremdet. Ziemlich dramatisch im Fall der Clownin, endet ihr Traum doch vor der versammelten Höchstrichterschaft der Clowne. (Man stelle sich vor, so etwas gäbe es tatsächlich!). Licht und Schauspiel verleihen der Szene herrlich kafkaeske, albtraumlastige Züge. Nein, mit der Clownin möchte frau jetzt wirklich nicht tauschen.

Die da vorne sind wir.

KOMM, SÜßER ERFOLG versammelt Stereotype auf der Bühne. Durch die Übersteigerung der Charaktereigenschaften entstehen nicht nur besonders humorvolle Momente, sondern wird auch selbstreflektive Publikumsarbeit geleistet. So anders und verrückt sind die da vorne nämlich eigentlich gar nicht. 😉

 

Fotonachweis: Brigitte Haid // Theater der Freien Elemente

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