Die Zwerge aus dem Salzburger Zwergerlgarten haben jetzt eine eigene Kinderoper erhalten und sorgen damit für beste Unterhaltung im Schauspielhaus.
Ich habe ein dunkles Geheimnis. Okay, vermutlich ist es gar nicht so dunkel, es führt mich aber alljährlich nicht nur zu den Siemens Festspielnächten der „Großen“, sondern auch zu den Festspielnachmittagen der „Kleinen“. Dort kann ich dann ganz ungeniert meinem Faible frönen, dem für Kinderopern.
Ich liebe Kinderopern, sie sind ein einziges Sammelsurium an Vorteilen: Nirgends sonst wird selbst noch der komplexeste Stoff so ansprechend und konzis verpackt. Die Inszenierungen sind meistens farbenprächtig, fantasievoll und Heroinnen würden hier niemals auf die Idee verfallen, gefühlt Stunden mit Sterben zu verbringen. Helden sind noch einen Tick heroischer, auch wenn sie erstaunlich oft eigentlich Heldinnen sind, was vermutlich daran liegt, dass ziemlich viele der Kinderopern der Moderne entspringen. Kinderopern sind also die Personifikation einer Win-win-Situation.
Umso erfreulicher der Umstand, dass es jetzt auch eine ganz eigene Salzburger Kinderoper gibt. Genau, richtig vernommen; in nur zehn Monaten schrieben Robert Pienz (Libretto), der Intendant des Schauspielhauses Salzburg, und Fabio Buccafusco (Komposition) MATHILDE, MAX & FASOLAN ODER DIE ZWERGE VON SCHLOSS MIRABELL (Musikalische Leitung: Onofrio Gallina, Ausstattung: Ragna Heiny). Nach 25 Jahren bespielt damit erstmals ein Musiktheaterstück die Räumlichkeiten des Schauspielhauses. Ein Projekt, das sich, so Pienz, auch für die Sommermonate der nächsten Jahre etablieren sollte. Ja, bitte, ganz unbedingt!
Dass sich diese Ambitionen lohnen, zeigte sich bei der Uraufführung der neuen Kinderoper. In einer fesselnden Verbindung aus Historizität und Fiktion wird die Geschichte von den zwei Geschwistern Mathilde und Max erzählt, die bei einem Besuch mit ihren Eltern auf Schloss Mirabell unvermutet den Zwerg Fasolan treffen. Der wendet sich mit einem Hilfegesuch an die beiden Kinder; vor genau 200 Jahren wurden er und die anderen Zwerge aus dem berühmten Barockgarten von Schloss Mirabell vertrieben, weil sie Prinzessin Therese und ihrem Mann Prinz Ludwig I. von Bayern ein Dorn im ästhetischen Auge waren, die mit den Barockgesellen nichts mehr anzufangen wussten. Da Zeitrisse offenbar nicht nur im Universum von Dr. Who auftreten, verschwindet Max in so einem nämlichen und machen sich Fasolan und Mathilde auf, ihn zu suchen und zugleich Fasolan mit seinen Geschwistern zu vereinen.
Kinderoper ist an dieser Stelle mit keiner Verniedlichung zu verwechseln. Die Partituren von MATHILDE, MAX & FASOLAN sind nicht nur für Kinderohren konzipiert und die den Instrumenten entlockten Töne vereinen sich ansprechend mit den Stimmen der SängerInnen. Das funktioniert je nach Bedarf spielerisch, wenn die kleinen Zwerge zum Zwergenmarsch aus dem altehrwürdigen barocken Gemäuer auftauchen; abenteuerlich und dramatisch hingegen gestaltet sich der Weg von Fasolan und Mathilde zurück in der Zeit und melancholisch Züge werden offeriert, wenn sich Prinzessin Therese und Salome ihrem Kummer hingeben. Vermutlich ist Letzteres dann auch der Grund, warum der erste Teil der Kinderoper extrem kurzweilig erscheint und der Pausen-Hinweis (danke Fasolan) an dieser Stelle ein gedachtes „nein, schon so weit?“ entlockt, während Salomes Ausführungen bisweilen etwas gedehnter anmuten. Allerdings werden Emotionen nicht nur durch Gesang und Musik übermittelt; Mathilde (überzeugend kindlich Yvonne Moules) und Fasolan (gebührend zwergen-seriös, gepolstert und unermüdlich reimend Ulf Dirk Mädler) entpuppen sich als empathische FührerIn dieser kleinen semi-historischen Exkursion durch die Geschichte von Schloss Mirabell. Sie nehmen das Publikum auf eine ganz eigene märchenhafte Reise mit, die sich als ziemlich spannend entpuppt und die Geschichte eines der bekanntesten Barockschlösser wieder aufleben lässt. Dazu zählt auch, dass Therese (Gerhild Zeilner) und Ludwig (Helmut Zeilner) als Touristenpärchen ihre Aufwartung machen und später als Prinz und Prinzessin zwischen der Zwergenschar vor dem Schloss stehen. Apropos! Die Zwerge sind wirklich entzückend in ihren herrlich bauchig-schrägen Kostümierungen mit den amüsanten Accessoires (Kostüme: Ragna Heiny, Maske: Andrea Linse) und ihrem wunderbar gelungenem Gesang, der gerne auch noch länger hätte andauern dürfen. Dazwischen stehen die kleinen AkteurInnen ganz Profis als steinerne Gesellen auf der Bühne und beobachten scheinbar starr das bunte Treiben. Ein lustiger Zufall übrigens, dass bei „Ich kann nicht anders / Die Zwerge müssen fort“ Ludwig just vor dem Kleinsten der grauen Gesellen stehen bleibt und ihn als „der schreckliche Mann!“ betitelt. Das Publikum goutiert das mit Heiterkeit. Überhaupt findet MATHILDE, MAX UND FASOLAN beim Premierenpublikum großen Anklang. Bereits in der Pause äußert die erste kleine Besucherin begeistert, dass es ihr ganz großartig gefalle. Der Schlussapplaus ist dann ohrenbetäubend und nein, das ist keine Übertreibung.
Nach MATHILDE, MAX & FASOLAN ODER DIE ZWERGE VON SCHLOSS MIRABELL kann einen übrigens der Drang übermannen, die kleinen grauen GesellInnen im Garten von Schloss Mirabell wieder einmal persönlich zu besuchen. Nur der Impuls in den Korb der einen Zwergin zu klettern, der vor ein paar Jahren verschlossen wurde, nachdem offenbar zu viele andere die gleiche Idee hatten, bleibt jetzt aus. Weil was, wenn sich die Zwerge tatsächlich nur steinern stellen?! …
Fotonachweis: Jan Friese