Pinocchio – Schauspielhaus Salzburg

Next Stop: Pinocchios Welt

Falls wer den italienischen Kinderklassiker PINOCCHIO sucht, der*die sollte im Schauspielhaus Salzburg Nachschau halten. Mareike Zimmermann inszenierte mit den Jungen Wilden der Schauspielschule eine wunderbar abenteuerlich-magische Variante.

Schon einmal von dem kleinen frechen Holzpüppchen gehört, das sich nichts sehnlicher wünscht, als ein richtiger Junge zu sein? So einer aus Fleisch und Blut, mit Schrammen am Knie und (weil wir ja gendern) Barbies im Kinderzimmer? Schon einmal von einem Jungen gehört, der mit Feuereifer in die Schule gehen will, aber immer wieder vom Weg abkommt? Vermutlich. Handelt es sich doch um die Geschichte von Pinocchio, die Carlo Collodi bereits 1881 als Mehrteiler in einer Wochenzeitung publizierte. Das ist schon ein Weilchen her, richtig. Trotzdem ist davon auszugehen, dass es seither keine Generation gab, die nicht ohne die Flausen von Pinocchio aufwuchs.

Die Jungen Wilden vom Schauspielhaus

Für das Schauspielhaus Salzburg übertrug Mareike Zimmermann den Kinderklassiker PINOCCHIO mit Liebe zum szenischen Detail auf die große Bühne (Regie und Fassung: Mareike Zimmermann, Ausstattung: Isabell Graf, Musik: Fabio Buccafusco). Die Produktion wurde gänzlich mit Schauspielschülern*innen der hauseigenen Schauspielschule besetzt und entführt die zahlreichePinocchio: L. Bischof, N. Raschner, A. Herrleinn kleinen Besucher*innen in eine kunterbunte Märchenwelt. Gemeinsam mit Pinocchio (Agnes Herrlein) begeben sie sich auf eine abenteuerliche Reise. A. Herrleins Pinocchio entzückt von der ersten Minute, als das kichernde Stück Holz durch den Schnitzer Gepetto (Nico Raschner) zum Leben erwacht. Den nennt der vorlaute Holzjunge kurzerhand Papa, ehe er sich hoch motiviert und nichts Böses ahnend auf den Weg in die Schule macht. Wobei Pinocchio die Naivität förmlich aus den Gliedmaßen spricht. Fröhlich und leicht steif hüpfend stapft der fidele Knabe darauf los, singt munter sein Liedchen und läuft prompt Fuchs (Tilla Rath) und Kater (Lukas Bischof) in die Arme. Das tierische Duo infernale ist ein absoluter Hingucker in einer ohnehin schon sehr gelungenen Produktion. Die beiden sind nämlich alles andere als harmlos und knuffig, wie bereits ihr Auftritt vermuten lässt. Laissez-faire und ziemlich cool kommen sie gleich auf den Punkt und sind nie, aber auch wirklich nie, um eine Ausrede verlegen. Pinocchio: T. Rath, L. BischofZumindest der schlaue Fuchs nicht, während der Kater mit seiner Tollpatschigkeit und Völlerei erheitert und die Kinder zum entsetzten Quietschen bringt, wenn er genüsslich in der eigenen Nase bohrt.

Kindmund tut halt doch Wahrheit kund!

Während die beiden flauschigen Tunichtgut den hölzernen Filius vom rechten Wege abbringen, macht sich Plötzlich-Papa Gepetto auf die Suche nach Pinocchio. Besorgt hetzt N. Raschner durch das Bühnenbild. Er hält nur kurz inne, um die beiden Übeltäter, die fleißige Biene (Janna Ambrosy) oder auch die Kinder im Publikum nach dem Weg zu fragen. Letztere geben ihm bereitwillig Richtungsanweisungen. Sogar so bereitwillig, dass sie dabei offensichtlich auf den Geschmack kommen und fortan immer und überall zu helfen suchen. Einfach frisch und frei von der Leber weg scheint die präferierte Methode und die lieben Kleinen engagieren sich eifrig an Pinocchios Geschichte. Wenn dann einer der erstaunlich voluminös gebrüllten Hinweise von den Darsteller*innen nicht aufgegriffen wird, nehmen die emsigen Helferleins das bisweilen auch persönlich. Trotzig ruft es aus dem dunklen Publikum „hob i do g’sogt“. Allerliebst.

Magische Momente

Pinocchio ist in M. Zimmermanns Inszenierung aber auch durchaus artistisch unterwegs und darf an Tüchern hängen. Als der Fuchs und der Kater den kleinen hölzernen Jungen überlisten und sprichwörtlich hängenlassen, wird er durch die blaue Fee (J. Ambrosy) gerettet. Die ist nicht nur ziemlich weise, sondern reagiert auch immer besonnen; sie erkennt Pinocchios wahres Wesen. Pinocchio: A. Herrlein, J. AmbrosyAus antiquierten erziehungstechnische Gründen lässt sie ihm allerdings trotzdem vorher noch eine lange Nase wachsen. Was wäre ein Pinocchio aber auch ohne wachsende Lügennase? Der Nasen-Trick gelingt J. Ambrosy so gut, dass das „blaue Mädchen“ tatsächlich ein Hauch von Magie umgibt. Vorzüglich unterstützt durch den Scheinwerfereinsatz und die dezente musikalische Untermalung.
Auch so ein Highlight sind die Krabben (T. Rath, J. Ambrosy, L. Bischof). Ihr Leuchten im Dunkeln sorgt für laute Ahs und Ohs in den kleinen Zuschauerreihen, der Tiroler Akzent der Oberkrabbe (L. Bischof) für grenzenlose Erheiterung unter den Großen. Und dazwischen führen die weißen Pinocchio: A. Herrlein, J. Ambrosy, L. Bischof, T. RathTierchen noch einen amüsanten „Krabbentanz“ auf.

Musik, Kostüme und Bühnenbild evozieren eine Märchenwelt, die in der minimalistischen Hexenhäuschen-Werkstatt von Gepetto ihren Ausgang nimmt. Sie führt über vielseitig einsetzbare Seile, die vom Bühnenhimmel baumeln und u.a. als Wald oder Unterwasserwelt fungieren, einer wunderbar magisch verschiebbaren Mondsichel direkt zum leuchtenden Riesenfisch (Reprise: „Ah“ und „Oh“). Dort findet Pinocchio dann auch seinen Gepetto wieder.

Coming-of-age

Heranwachsen ist schwer. Bei Pinocchio dauert es von daher auch ein Weilchen, bis er seine Naivität, sein grenzenloses Vertrauen und seine latente Ich-Bezogenheit überwindet. Die Turbulenzen der Erzählung greift M. Zimmermann auf, ohne an den wichtigen Details zu sparen. Trotzdem gelingt es ihr erstaunlich gut, das umfangreiche Ausgangsmaterial in normaler Kinderstück-Dramatisierungslänge unterzubringen.

Der Enthusiasmus der Jungen Wilden vom Schauspielhaus ist absolut ansteckend und sorgt für äußerst gute Laune. Das Einzige, was es bei dieser Produktion zu bemängeln gibt, ist, dass der Ausflug ins Spielzeugland nicht stattfindet. Während Pinocchio mit seinem neuen Freund Carlo (T. Rath) auf den Bus dorthin wartet, wird Carlo vom Polizisten (einmal mehr L. Bischof als forscher Gesetzeshüter) eingesammelt. Nein! Wir wollten doch ins Spielzeugland! … Immerhin bleibt der Zuschauerin als Trost die eigene Imagination, um sich dieses Schlaraffenland mit unendlich viel Freizeit, noch mehr Spielsachen und Süßigkeiten in den allerschönsten Farben einfach selbst auszumalen. Himmlisch!

 

 

Fotonachweis: Jan Friese // Schauspielhaus Salzburg

 

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