Shirley Valentine | comedy | Anita Koechl

Shirley Valentine oder Die heilige Johanna der Einbauküche – Kleines Theater

BE MY VALENTINE.

SHIRLEY VALENTINE is back in town: Am kleines theater in Salzburg feierte die britische Komödie Revival und spielt sich Anita Köchl stellvertretend für alle Frauen da draußen frei. Eine tieftragische und hochkomische Glanznummer.

Wenn Reinkarnation funktioniert, dann lebt Robin Hood: als Willy Russell. Seines Zeichens britischer Schulabbrecher, Friseur und später Dramaturg, Autor, Lyriker, Komponist und was man halt noch so alles macht, auf dem zweiten Bildungsweg. Robin Hood hat sich auch im 21. Jahrhundert den Entrechteten verschrieben, denen aus der Arbeiterklasse. Statt für sie zu rauben, hebt sie Willy Russell allerdings auf die Bühne. Dort lässt er sie mit massig Authentizität, aber ohne Gedöns zu neuem Lebenswillen gelangen. Das Ergebnis sind motivierende Coming-of-2nd-Age-Stücke, die mit herrlicher Ironie, pointiertem Witz und entwaffnender Reflexion wunderbare Geschichten von dir, mir und all den anderen erzählen – Geschichten wie die von SHIRLEY VALENTINE.

In aller Plot-Kürze

Shirley Bradshaw ist 52 Jahre alt und unglücklich. Als deprimierte Hausfrau und frustrierte Mutter besteht ihre einzige Ansprache aus der Küchenwand. Mit ihr führt Shirley tiefsinnige Gespräche und sinniert über die Zeit, als sie noch Shirley Valentine war und das ganze Leben vor ihr lag. Dann wird Shirley von ihrer Freundin Jane zu zwei Wochen Griechenland eingeladen. Nach einigem Hadern, unschlüssigem Hin und Her willigt sie ein und findet einen Weg zurück – zu sich und ihrem Leben.

Be my Valentine

Mit Willy Russells Figuren ist das so eine Sache; sie sind tragisch-komisch und rühren mit ihrer Naivität und gleichzeitigen Resigniertheit so selbstverständlich am Innersten, dass dem Publikum gar nichts anderes übrig bleibt, als ihrem Bann zu erliegen. Anita Köchls Shirley Valentine stellt keine Ausnahme dar (Regie: Fabian Kametz). Shirley Valentine | comedy | Anita KoechlIm Gegenteil. Köchl eignet sich den opulenten Monolog der einsamen Hausfrau an, als wäre es eine halbstündige Kaffeefahrt, dabei bezieht sich die Opulenz auf die Dauer und währt sichtlich länger. Wunderbar bedient die Schauspielerin die ganze Bandbreite der Emotions-Klaviatur und bringt sie virtuos zum Klingen. Wozu Psychologen? Als Shirley betreibt Anita Köchl auf humorige Weise locker-leichte Konversation mit der Küchenwand und schüttet dem Mauerwerk charmant-liebenswert und mit großer Authentizität ihr Herz aus. Aus genau dieser scheinbaren Unbeschwertheit entwickelt sich die tragisch-komische Komponente – Wiedererkennungswert sehr wahrscheinlich.

Spiegeleier mit Pommes

Anita Köchl zeichnet mit Shirley Valentine eine gescheiterte Existenz, die den Humor vor allem aus ihrer Ironie und Selbstreflexivität bezieht. Statt in der anonymen Masse gescheiterter Existenzen unterzugehen und eines Tages unbemerkt in Vergessenheit zu geraten, rebelliert die Liverpooler Hausfrau und Mutter. Zum Movens werden Spiegeleier und Pommes, die Köchl auf der Bühne mit so viel Energie und Frustration in die Pfanne pfeffert, dass aufmerksame Zuschauer*innen spätestens an dieser Stelle hellhörig werden sollten. Sie sind live dabei, wie der duldsamen Shirley der Kragen platzt. Peu à peu lässt Köchl ihre Figur im immerwährenden Monolog mit viel Empathie und liebenswürdiger Naivität rebellieren.

Rollenspiel

Da SHIRLEY VALENTINE in der Bühnenfassung ein Monolog ist, übernimmt Köchl auch die Partien der anderen. Versiert schlüpft sie von einer Rolle in die nächste und begeistert als jähzorniger Sohn Brian, der das Weihnachtsspiel an der Schule kolossal vermasselt (köstlich der Wutanfall). Aber auch die klatschsüchtige Gillian beherrscht Köchl oder die verwöhnte Tochter, die spontan wieder im Kinderzimmer einfällt und das Kommando an sich reißt.

Authentisch, emotional und leidenschaftlich ist SHIRLEY VALENTINE auch bei seiner Wiederaufnahme und bringt ein Stück England und Robin Hood nach Salzburg. Auf die Barrikaden, für das eigene Leben und alle Shirley Valentines da draußen.

 

Fotonachweis: Leo Fellinger

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