Klappe auf, Affe quietschfidel
Statt Goldoni steht das Salzburger Straßentheater 2020 mit einer musicalischen Revue auf der Bühne: eine Reise durch die eigene (neueste) Geschichte.
Und jetzt erst recht. Mit SINGEN WIR DAS BESTE DRAUS zeigt sich das Salzburger Straßentheater gewohnt rebellisch und bläst gut gelaunt zum Widerstand. Eigentlich sollte im 50. Jubiläumsjahr der fröhlichen Truppe ja Goldonis DIENER ZWEIER HERREN auf dem Programm stehen (das übrigens, so viel Zeit muss sein, auf Plautus‘ EPEDICUS basiert, dem „Sklaven zweier Herren“). Corona bedingt musste vertagt werden. Das Straßentheater wäre allerdings nicht das Straßentheater, würde es sich davon die Laune geschweige denn das Programm verderben lassen.
Statt Goldoni wurde es dann eine Revue, allerdings keine mit wahlloser Hit-Aneinanderreihung oder Motto-Band-Beschallung. Lieber nutzte das Team die Chance und präsentierte ein Best-of der letzten Jahre Straßentheater. Beginnend mit der Intendanz von Georg Clementi wagt die zeitgenössische Salzburger Antwort auf die Commedia dell’arte also einen Blick zurück und richtet ihn gleichzeitig voller Elan nach vorne. Garniert ist dieser musikalische Komödien-Trip mit Songs aus den jeweiligen Stücken. Voller Inbrunst wird „Fischia il vento“ oder „Happy“, „Les Champs-Élysées“, „Vois sur ton chemin“ und „Imagine“ intoniert. Das Ensemble verleiht dem Repertoire dabei den besonderen Anstrich. Das gelingt durch einen findigen und semi-transparenten Plot sowie die heitere Vortäuschung von Realität bei eigentlich zelebrierter Fiktion (Konzept & Idee: Georg Clementi, Alex Linse, Anja Clementi, musikalische Leitung und Arrangement: Marc Seitz, Choreografie: Anna Knott, Kostüme: Alois Dollhäubl).
Gute Laune ahoi
Apropos Plot. Der ist tatsächlich existent, zumindest in groben Zügen. Als Aufhänger dient der prominente Straßentheaterwagen, der einfach nicht auftauchen möchte. Verbaler Slapstick ist von der ersten Minute an voll präsent. Fragen werden gedoppelt und hallen als vervielfachtes Echo über die Wiese, wenn Alex (Alex Linse) verzweifelt versucht, per Mobiltelefon einen Verantwortlichen für das abwesende Fuhrwerk zu erreichen. Auf sein gut gebrülltes „was?“ antwortet Georg (Georg Clementi) mindestens genauso laut mit „was, was?“. Die beiden schaukeln sich bis zu einem „was, was, was, was?“ hoch und demonstrieren nebenbei: simple Komödienstrukturen funktionieren immer. Denn erstaunlicherweise konnten die durch Corona gezwungenermaßen sparsamer besetzten Reihen der guten Laune keinen Abbruch tun. Die sprang lieber sogleich nahtlos auf das Publikum über und verweilte bis zum Ende, Regen hin oder her.
Musikalisches Duell
Für den besonderen Charme der fröhlich charmanten Musik-Offensive zeichnet sich vermutlich auch die bunte Herangehensweise und die Publikumsnähe verantwortlich. Der einzige Franzose im Team (Eric Lebeau) zaubert einen Chanson nach dem anderen aus dem Ärmel und plauderte auch sonst am liebsten auf Französisch. Tarnung ist alles. Anna (Anna Knott) zeigt sich neben ihrem musikalischen Talent auch sprachlich auf bestem Niveau. Munter parliert sie auf französisch oder intoniert sehr musical-lastig das bekannte Partisanenlied „Bella Ciao“ in den unterschiedlichsten Sprachen. Sehr zum Amüsement des Publikums. Drama darf natürlich auch nicht fehlen, dafür sind Anja Clementi und Larissa Enzi als stimmstarke Kontrahentinnen zuständig. Während die eine der anderen unterstellt, ihrem Mann aus Karrieregründen schöne Augen zu machen, will Letztere eigentlich nur in ihr neues Kostüm. Daraus entspinnt sich eine heitere Nummer aus „La vie en rose“ und geballter „Happy“-Power.
Ausblick auf 2021
Paul (Paul Clementi) schlüpft in die Rolle des renitenten, unmotivierten Teenagers. Lässig lümmelt er im Liegestuhl und reagiert nur auf seinen von elterlicher Seite scharf gebrüllten Vornamen. Der jüngste der drei Clementis darf seine Hits aus den letzten beiden Produktionen einmal mehr zum Besten geben, während sich das restliche Ensemble auf stimmenreiche Unterstützung mit wiederum starken Musical-Anleihen setzt. Die letzte Nummer erinnert dann allerdings an den Chor einer freien Kirchengemeinschaft. Tom (Thomas Pfertner) wuselt indes zwischen den Rollen und fügt sich homogen ins amüsante Ganze ein. Einen Ausblick auf 2021 und damit Goldoni gibt es trotzdem. Jetzt erst recht liefern Anja und Georg Clementi eine kleine Liebesszene, bei der aber vor allem auch die beiden Türen (Alex Linse und Thomas Pfertner) amüsieren.
Mit seiner musicalischen Revue bietet das Salzburger Straßentheater Corona nicht nur die Stirn, sondern sorgt für einen kurzweiligen Abend und steht ganz in der Commedia dell’arte Tradition. Klappe auf, Affe quietschfidel.
Fotonachweis: SKV Wolfgang Lienbacher (Sujet), SKV Leopold (Rest)
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