Total impr(off)isiert – Theater (Off)ensive Salzburg

Theatersport à la carte: „5, 4, 3, 2, 1 – looos!“

Zugegeben, das Stichwort für die Schauspieler*innen auf der Bühne im „Shakespeare“ ist so einfach wie effektiv. Nicht umsonst trainiert Alex Linse sein Publikum gleich zu Beginn des Theaterabends auf den „5, 4, 3, 2, 1 – looos!“ – Ruf, den es fortan entzückt und enthusiastisch erklingen lässt, um die Partizipierenden zu Glanzleistungen anzuspornen.

Johann Christoph Gottsched war eine Spaßbremse. Das wird mindestens ebenso rasch deutlich, wenn die Theater (Off)ensive ihre Stegreifkünste vor dem staunenden, sehr aktiven und sichtlich amüsierten Publikum darbietet. Dabei ließ der deutsche Aufklärer vor beinahe 300 Jahren das Improvisationstheater im Zuge seiner Theaterreform verbieten. Gottsched erhob viel lieber den fünfteiligen Aufbau des Dramas als mentale Erbauung und moralisches Korrektiv zur Norm; weg von den Hanswurstiaden, Obacht vor den zeitgenössischen Wandertruppen und der commedia dell’Arte.
Irgendetwas lief dabei aber wohl nicht ganz nach des humorfreien Aufklärers Plan. Seine Gebote verstauben in einschlägiger Fachliteratur und das Publikum von TOTAL IMPR(OFF)ISIERT spendet frenetischen Beifall und jubelt den Stegreifakteur*innen des Abends unverhohlen zu. Ursprüngliches Theater, das selbst die Jüngsten in seinen Bann zieht.

Die Theater (Off)ensive ist eine kleine, aber ziemlich feine und sehr freie Theatergruppe, die sich aus verschiedenen und ebenfalls freien Schauspieler*innen zusammensetzt und als Geheimtipp gehandelt werden sollte. Mitunter politisch, bisweilen höchst amüsant und immer am Puls der Zeit bietet die Truppe rund um und mit Alex Linse ein ansprechendes Repertoire, das sich pünktlich zum Jahresende auch eine kleine Rückschau gönnt (Vorschau auf Wunsch ebenso inbegriffen). Dass sich diese spontan und unter Mitwirkung des Publikums quasi live entwickelt, ist Ehrensache. Improvisationstheater verpflichtet. Zugleich entpuppt sich der Live-Charakter als absolute Herausforderung, denn die ohnedies schon sehr, sehr, sehr kleine Bühne schrumpft unvermutet. Tatsächlich haben Anja Clementi, Christine Winter, Diana Paul, Jana Pflaeging, Alex Linse und Maximilian Pfnür an diesem Abend Besuch von jungen und ambitionierten Kolleg*innen der Improvisationsgruppe „Schoko mit Gurke“ aus Halle. Was so verlockend klingt, muss selbstverständlich in das Programm integriert werden, wie gut also, dass es sich um ein Impro-Stück handelt.  (Gottsched, alles klar bei dir?!).

Das mit dem „jeden Abend eine Uraufführung“ auf der Homepage der (Off)ensive ist deshalb auch höchst wörtlich zu nehmen. Das Publikum wird aktiv miteinbezogen und dient nicht nur als sehr produktive*r Stichwort-Lieferant*in, sondern gleichzeitig auch als ambitionierte*r Motivator*in. Buhrufe erklingen keine, dafür läuft umso häufiger eine gutgelaunte Welle durch den Raum oder werden mit Blumen-auf-die-Bühne – Würfe die Grade der Begeisterung kundgetan. Alles Teil des Programms und die zu Recht honorierte Leistung einer famosen Besetzung.

Die Protagonist*innen überbieten sich in ihren Impro-Gängen. Vor allem M. Pfnür und A. Clementi laufen zu Höchstleistungen auf und scheinen allgegenwärtig. Der eine darf unvermutet seine Leidenschaft für Ninjago-Animationen und Duelle am Himmel kundtun, während er mit kindlicher Argumentationsführung und entsprechendem Körperausdruck Prinzessin Lillifee total ablehnt oder brilliert mit bayrischer Sprachmelodie. Wunderbar die unglaublich schnelle Franz Beckenbauer Imitation, die die neu erwählte Gebärdensprachdolmetscherin schier in die Verzweiflung und gleichzeitig zu Höchstleistungen treibt (herrlich spontan und ziemlich kreativ Diana Paul) oder der sehr gelungene Versuch als düsterer Edgar Allan Poe, mit traurig gemeucheltem Raben. Die andere ist mal Angela Merkel, mal wird sie spontan von Klammer-Hamstern befallen oder kämpft als psychisch labile Autoverkäuferin mit lästigen Kundinnen. Gemeinsam verwandeln sie eine Operette in ein Horror-Musical, wenn Nymphen unvermutet zu Sirenen und Ungeheuern mit Weltherrschaftsambitionen oszillieren – die Geburtsstunde der „Splatterette“. Überhaupt wird an diesem Abend oft und gerne gesungen, auch von den Gästen aus Halle, die ein wunderbares „Ballett“ inszenieren oder einen Troubadour zu seinem Einsatz schicken. Schoko mit Gurke dürfen stets nach Lust und Laune einspringen und mitmischen; ähnlich wie bei ihren Gastgebern kristallisieren sich alsbald gewisse Besetzungsmuster.

Einer darf das alles ausbaden: der Mann am Keyboard, Daniel Schröckenfuchs, der unglaublich wacker zu jeder noch so abstrusen Situation eine Melodie (er)findet und dabei tatkräftig von der Tontechnik unterstützt wird.

TOTAL IMPR(OFF)ISIERT dauert eigentlich ziemlich lange, alleine fällt das gar nicht auf. Wenn sich der Saal nach 2,5 Stunden Vorstellung (mit kurzer Pause) endgültig verdunkelt, fühlt sich das an, als wären eben erst fünf Minuten vergangen. Wie schön also, dass die impr(off)isierten Shows fortan einmal pro Monat aufgeführt werden. Der nächste Besuch sollte alsbald geplant werden.

 

 

Fotonachweis: Aus Ermangelung an Fotomaterial wurde auf die wunderbar und sicherlich mit sehr viel Liebe kreierte Eintrittskarte des Abends zurückgegriffen sowie auf einen privaten Schnappschuss der Theater (Off)ensive, das durch das Posten auf Facebook hoffentlich etwas von seinem „privaten“ Charakter einbüßt. Bei Einspruch kann das Bildmaterial selbstverständlich jederzeit entfernt oder ausgetauscht werden. 😉

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