Georg Clementi & Anja Clementi

Zwei auf einer Insel – Das OFF Theater

Musikalische Beziehungskiste.

Den Weg zur nächsten Whiskey Bar finden Lotte Lenya und Kurt Weill garantiert von selbst: Im OFF Theater Salzburg erhält eines der faszinierendsten Paare der Musikgeschichte endlich ein eigenes Stück. Hurra, Uraufführung!

„Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden…“ – ja, schon klar, anderes Stück, leicht adaptiertes Zitat und obendrein – oh Graus – eine Operette. Gleichzeitig könnten diese Worte die ganz spezielle Beziehung zwischen Kurt Weill und Lotte Lenya kaum besser zum Ausdruck bringen. Der jüdisch-deutsche Komponist, geboren mit privilegiertem Löffelchen im Mund, und die aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Sängerin und Schauspielerin aus Wien ein Paar? Das wäre eigentlich schon Stoff für einen Groschenroman (oder Groschenoper 😉 ). Dazu kam es zwar nicht, dafür aber zur Biografie „Zwei auf einer Insel“. Die wurde vor allem für ihre Sprachlichkeit gelobt. Was eigentlich ebenfalls überrascht – Biografien sind schließlich meistens entweder Selbstbeweihräucherung oder Besserwisserei. Am OFF Theater in Salzburg erarbeitete man daraus ein sehr sprachlich verspieltes und gleichzeitig musikalisches Stück mit einem Best-of an Weill-Lenya-Zitaten (Regie & Bühne: Alex Linse, Text: Georg Clementi, musikalische Leitung: Milan Stojkovic).

In aller Plot-Kürze

Lotte Lenya, die mit bürgerlichen Namen eigentlich Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer hieß, und Kurt Weill zählen zu den berühmtesten Künstlerpaaren überhaupt. Auf einer Bootsfahrt lernten sie sich kennen, verliebten sich Hals über Kopf und heirateten wegen der Nachbarn. Sie waren selten an einem Ort und hatten immer wieder Affären. Das tat der speziellen Zuneigung keinen Abbruch. Sie war sein Lebenselixier und er ihr liebender Vater, den sie in ihrer Kindheit stets vermisste. Gut, das mag sich jetzt vielleicht nach Fetisch anhören (bestenfalls nach Ödipus), war es aber (hoffentlich) nicht. Irgendwann zerbrach die Ehe. Während des Zweiten Weltkrieges zog er nach Amerika und nahm sie trotzdem mit. Dort konnte er an vergangene Erfolge anknüpfen, sie heirateten zum zweiten Mal. Kurt Weill verstarb relativ früh und Lotte Lenya verwaltete zeit ihres restlichen Lebens sein musikalisches Erbe.

Hommage liegt in der Luft

Der Abend ist eine Hommage an Kurt Weill und Lotte Lenya. Weill Kompositionen mit Brecht’schen Texten so weit das Ohr reichtLotte Lenya (A. Clementi) & Kurt Weill (G. Clementi) und das macht richtig Spaß – von den bekanntesten Stücken aus der DREIGROSCHENOPER bis zu dem einen oder anderen Broadway-Hit. Viele der Songs waren Lotte Lenya auf die Stimmbänder geschnitten, die sie selbst kokett-ironisch als „eine Oktave unter der Kehlkopfentzündung“ bezeichnete. Georg Clementi & Anja ClementiAnja Clementi droht kein Stimmschaden, auch wenn sie der Lotte für einen Abend die ihre leiht. Dabei macht die Schauspielerin keine halben Sachen. Mit Haut und Haaren hat sie sich Karoline Wilhelmine Charlotte Blamau einverleibt und gibt ihre Erfolge zum Besten. Großartig verrucht und sehr stimmstark ihr Auftritt als „Seeräuberjenny“, aber auch in „Surabay Johnny“ heizt Anja Clementi ordentlich ein.

Der Live-Musik-Charakter von ZWEI AUF EINER INSEL unterstützt die Sängerin: Milan Stojkovic am Klavier und Peter Bachmayer am Schlagzeug begleiten souverän durch den divergenten Abend. Hier liegt immer ein Hauch von Whiskey und Barmusik in der Luft, den Georg Clementi bei Bedarf auf dem E-Bass komplettiert. Dadurch erhält das musikalische Arrangement eine ganz eigene, zeitgenössiche Note. Der Bühnennebel, der dem Publikum an dieser Stelle entgegenwabert, sorgt für den dramatischen Rest. Punktlandung. Spätestens jetzt könnte sich Bedauern breit machen, dass nicht gleich die gesamte DREIGROSCHENOPER zur Aufführung gelangte.

„… und nun bist du schon zum zweiten Mal ein Weillchen.“

Ein weiteres Standbein der Produktion ist ihre eminente Sprachlichkeit. Georg Clementis Kurt Weill zelebriert sie mit sehr viel Verve und wohldosierter Ironie – egal ob „Weilli“ oder „Weillchen“, „Ameisenblume“ oder „Linnerl“;Georg Clementi & Anja Clementi die brieflichen Einblicke erheitern und Kurt Weill könnte kaum schwärmender für Lotte Lenya angelegt sein, was sich in jeder Geste und jedem Blick äußert  – selbst die einsame Lotte am Grab hält diese ganz besondere Stimmung noch konsequent aufrecht. Trotzdem wahrt Georg Clementis Kurt Weill immer seine Authentizität. Nie driftet die Figur ins Peinliche oder Absurde ab.

ZWEI AUF EINER INSEL ist eine Mischung aus dramatisiertem Briefroman, Nacherzählung und Autobiografie. Munter springen die beiden Protagonisten zwischen den Ebenen, wechseln von Narration zu Momentaufnahme. Das Publikum geht auf dem Weg nicht verloren, sondern wird auf der Reise durch die musikalische Beziehungskiste an der Hand genommen. Dafür hält sich die Inszenierung stringent, aber bieder an ihrem roten Faden fest: Vom ersten Kennenlernen in der kreativ umfunktionierten Badewanne bis zu Weills Tod, der zeitliche Rahmen sitzt. Erotik darf auch vorkommen, subtil funktioniert allerdings anders – die amourösen Szenen driften bisweilen ins slapstickhafte.

Ohrwurm irgendwer?!

Lotte Lenya und Kurt Weill gewinnen in der Uraufführung am OFF Theater an Kontur. Von wegen, Biografien sind öde und langweilig – offenbar besitzen manche durchaus Spannung und Unterhaltungswert. ZWEI AUF EINER INSEL ehrt mit seiner musikalischen Inszenierung die beiden Künstler posthum, die eigentlich schon längst ein Stück verdient hätten. Tja, jetzt ist es also so weit und der nächste Weill-Lenya Ohrwurm garantiert ebenfalls schon in Position. „Oh show us the way to the next whiskey bar…“.

 

Fotonachweis: OFF Theater

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