Seelenschau einmal anders: „Die komische Tragödie“ am kleines theater
Die Bühnenfigur zieht es zur Rampe wie die Motte ans Licht. In Stephan Kreiss‘ Inszenierung „Die komische Tragödie“ werden Bühnenregeln außer Kraft gesetzt.
Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Das suggeriert zumindest der Volksmund. Bei Bühnenfiguren sieht die Sache dann schon wieder anders aus. Die zieht es in Sachen Selbstreflexion nämlich direkt ins vollbesetzte Rampenlicht. Das ist auch eine Weisheit. Die stammt allerdings aus der Feder von zwei Autoren. Für EINE KOMISCHE TRAGÖDIE haben Yves Hunstad und Eve Bonfanti nicht einfach nur die Perspektiven gewechselt, sondern gleichzeitig die Bühnenverhältnisse außer Kraft gesetzt. Was passiert also, wenn die Figuren in den Stücken tatsächlich real sind und ihre Schauspieler*innen anleiten, begleiten und hin und wieder in den Hintern treten?
Hau-drauf Komik, die ankommt
In Salzburg hat sich Stephan Kreiss dem Experiment, äh, Schauspiel angenommen (Musik: Axel Müller, Bühne & Kostüme: Ragna Heiny). Herausgekommen ist ein Mischung aus Hanswurstiade, mit Proust’schen Reminiszenzen, der einen oder anderen Allegorie und Lyrik-to-Go. Eine ziemlich abenteuerliche Mischung also, die sich zwar nicht so recht entscheiden kann, welche Richtung sie nun einschlagen möchte, deren Hau-drauf Komik aber außergewöhnlich gut beim Publikum anzukommen scheint. Zumindest einem großen Teil davon. Tatsächlich beherrscht Caroline Richards den Wechsel zwischen ihren Protagonistinnen perfekt und gibt dabei Tempo. Damit auch der letzte Zuschauer im Publikum mitbekommt, wer jetzt das sagen hat, ist da diese Nase. Clownsnase möchte man anmerken, aber das ist sie ja auch nicht wirklich.
Wage es, dich deiner Imagination zu bedienen: Die komische Tragödie
Die eine nervlich am Boden, die andere immer auf der Jagd nach dem Scheinwerferlicht. Caroline Richards fängt die Facetten ihrer Figuren gelungen ein und bringt sie auf den Punkt. Es wird deutlich, hier freut sich eine Schauspielerin, endlich den Zweifeln und Ängsten ein Gesicht zu geben – und ihnen selbstbewusst eine lange Nase zu drehen. Weil jetzt erst recht. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit und der Liebe gibt sich auch noch die Hoffnung ein Stelldichein. Das könnte beziehungsweise sollte man abkürzen. Dann würde das Schauspiel noch mehr an Komik gewinnen. So aber zieht sich dann der Abend doch etwas in die Länge.
Stark auch der Drang, der selbstkritischen und von Zweifeln zerfressenen Schauspielerin beizustehen, die da von ihrer Bühnenfigur zu Höchstleistungen gepiesackt wird. Oder ist es doch nur sie selbst, die das Geschehen vorgibt? Das Spiel mit den Perspektiven beherrscht EINE KOMISCHE TRAGÖDIE wunderbar. Der Kopf saust vor Ebenen, die sich öffnen und wieder schließen und Möglichkeiten, die tatsächlich spannend wären, näher zu erkunden. Und irgendwie ist der Gedanke auch sehr ansprechend, dass es irgendwo da draußen im unendlichen Universum auch einen Platz für Bühnenfiguren gibt, die nur darauf warten, endlich in ihr Leben zu starten. Schließlich nimmt das Publikum eines ziemlich sicher nach diesem Abend mit: Wage es, dich deiner Imagination zu bedienen.
Fotonachweis: Christian Streili
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