Glückliche Tage – Ensemble Juvavum

Becketts Skyfall

„This is the end“: Der Sinnlosigkeit des Daseins begegnet das Ensemble Juvavum in GLÜCKLICHE TAGE mit erfrischender Absurdität.

Warten. Warten auf den Verfall, auf das Ende und dabei mit dem Absurden kokettieren. Das klingt nicht nur nach Samuel Beckett, das ist auch Samuel Beckett. Das Ensemble Juvavum inszenierte den berühmten Zweiakter des irischen Dichters, der als „Karfreitagskind“ zum Leiden geradezu prädestiniert war und davon reichlich Gebrauch machte, in der Regie von Nicholas Monu am OFFtheater in Salzburg.

GLÜCKLICHE TAGE, bereits der Titel des Dramas scheint ein Paradoxon. Glücklich und Beckett, ja, funktioniert das überhaupt? Tut es, wobei Nicholas Monu den Fokus seiner Inszenierung auf den tragisch-komischen Aspekt legt (Ausstattung: Simone Monu). Winnie (Cristina Ablinger), die Protagonistin und berühmte Monologisiererin, ist schließlich nicht nur „Endzeitprinzessin“ und Verbitterung, sondern auch leidenschaftliche Optimistin. Wie in (fast) jeder GLÜCKLICHEN TAGE-Inszenierung steckt sie dafür im ersten Akt bis zur Hüfte in einem Erdhaufen. Dass es sich dabei vermutlich um einen mit Zeitungen ummantelten Pappmaschee-Berg handelt, verwundert ungefähr genauso wenig, wie die Tatsache, dass Winnies Schauspielerin vieles ist, aber sicherlich keine alte Frau – beides stört nicht, sondern erzeugt erstaunlicherweise die richtigen Eindrücke. Das spricht für die Qualität der Inszenierung und die Leistung der Darstellerin.

Cristina Ablingers Winnie ist wild entschlossen, trotz all dem Leid, die das Bewusstsein der Vergänglichkeit so mit sich bringt, an ihrem Lebenswillen festzuhalten. Staccatoartig schießen die reduzierten und gerade dadurch wortgewaltigen Satzglieder aus ihr hervor und bringen ihre Monologe zum Beben. Bei Winnies optimistischen und depressiven Redeschwällen gerät beinahe in Vergessenheit, dass da ja noch jemand auf der Bühne ist, Willie. Gleich hinter dem Hügel, den Blicken des Publikums meistens entzogen, steckt er laut Winnie in einem Erdloch. Sie schmeichelt, sie fordert und droht. Das ändert allerdings nichts an ihrer eigenen, merkwürdigen Situation im Zeitungshaufen – diesem melancholischen Korsett des Verfalls, das durch die diversen tagespolitischen Meldungen auf den Printmedien um zeitgenössische Zwänge bereichert wurde.

Volle Kraft voraus

Die Wortverhältnisse von GLÜCKLICHE TAGE sind klar geregelt; während Winnie lange, staccatoartige Reden oder auch vereinzelte Satzglieder schwingt, hüllt sich Willie – ganz Mann – in undurchsichtiges Schweigen. Das brachte findige Köpfe schon vor Längerem auf die Idee, seinen tatsächlichen Sprachanteil zu zählen. In 90 Minuten bringt es die Figur auf, Trommelwirbel, 51 Wörter. Das ist nicht viel und wird zum Gros schon im ersten Akt verjubelt. Gleichzeitig ist es auch genau diese Einsilbigkeit und Nicht-Präsenz hinter dem Hügel, die Willie (Christian Genzel) sein Charisma verleiht. Stoisch lässt er sich von Winnie umgarnen oder schelten. Beinahe rührend wird es, wenn Willie am Ende in einer Aufwallung amouröser Leidenschaft oder vielleicht auch einfach nur Mitleid, den Hügel zu Winnie erklimmen möchte – und kläglich schnaufend daran scheitert.

„This is the end“

Im zweiten Akt steckt Winnie bereits bis zum Kopf im Zeitungsberg. Vom anfänglichen Optimismus ist nicht mehr allzu viel übrig. Das heitere Lachen und der optimistische „heute wird ein guter Tag!“-Ausruf weichen jetzt fast ständig ernster Miene. Passend dazu ist das Augen-Make-up verwischt. Vom roten Dirndl – einer Austro-Referenz – ist nur noch der kecke Hut zu sehen. Eigentlich wäre spätestens jetzt höchste Zeit für Adeles „Skyfall“, dessen Zeilen einem Beckett entlehnt sein könnten: „This is the end / Hold your breath and count to ten / Feel the earth move and then / Hear my heart burst again.“ Stattdessen folgt eine bittersüße, melancholische Absage mit den Worten eines Lehár’schen Operetten-Kalauers „Lippen schweigen, ’s flüstern Geigen / Hab mich lieb!“.  Ja, schweigen, das kann jetzt auch Winnie, als ihr selbst die Augen den Dienst zu versagen drohen; ein letzter langer Blick zwischen ihr und Willie, der sich endlich dazu aufgerafft hat, vor den Berg zu kriechen, ist aber noch drin und sorgt für einen gebührend bild- und sprachkräftigen letzten Eindruck. GLÜCKLICHE TAGE – oder glücklicher Abend.

 

 

Fotonachweis: Ensemble Juvavum

Facebooktwitterredditpinterestlinkedinmailby feather

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert