Cirque Alfonse rocks on!
Die kanadische Compagnie ist zurück und erobert 2019 wieder das Winterfest. Mit im Gepäck von Cirque Alfonse: TABARNAK – die unkonvenionell andere Show, irgendwo zwischen Rockkonzert und Heilige Messe.
Bei Kirche und Hochamt denken viele vermutlich zurück an die Kindheit. An schier endlose Gottesdienste, harte Kirchenbänke und pompösen Ornat. Und ja, selbstverständlich auch an die Erleichterung, sobald sich der Priester Richtung Tabernakel wandte, um die Hostie für die Kommunion zu holen. Halleluja, das Stichwort für die baldige Freiheit Richtung Kirchentür. Dabei könnte Kirche auch so anders sein. Gut, Cirque Alfonse nehmen es mit der liturgischen Tradition in TABARNAK vielleicht nicht ganz so genau, selbst wenn sich der Name des Programms an besagtem Schrein orientiert. Selbstverständlich ist die neue Show der kanadischen Compagnie keine tatsächliche Messe, sondern vielmehr ein sich Erinnern. An alte Traditionen, an die Dorfkirche aus Kindertagen und ein Verbinden dieser Reminiszenzen mit neuen akrobatisch-musikalischen Ideen. Anders formuliert, TABARNAK feiert als rockiges Hochamt das Leben.
Cirque Alfonse: Never change a winning team
Die Compagnie aus Kanada ist eine alte Bekannte. Bereits 2016 begeisterte die (Familien)Truppe mit TIMBER! und diesem ganz speziellen Crossover aus Akrobatik und Folklore. Die gute Nachricht: Cirque Alfonse ist zurück und heizt dem Salzburger Publikum dieses Jahr mit TABARNAK ein – und wie. Dabei hält das Team an lieb gewonnenen Traditionen fest. Der Anfang ist bedächtig. Auf der Bühne sitzen und stehen Akrobaten*innen und Musiker*innen in trauter Mehrsamkeit. Die einen häkeln, die anderen führen Tagebuch, umgeben von Erinnerungsstücken aus der kanadischen Kindheit. Skier und Schneeschuhe reihen sich an Hockeyschläger und Kirchenbänke. Während sich der eine noch balltechnisch aufwärmt, nehmen die anderen mit den Bänken bereits Fahrt auf. Freilich nicht zu schnell. Cirque Alfonse weiß, den Spannungsbogen bis auf sein Maximum auszureizen und trifft zielsicher ins Schwarze.
Rockiges Hochamt
Einmal ins Rollen gebracht, kennt TABARNAK kein Halten mehr. Zu Live-Musik mit folkloristisch-rockigen Tönen laufen die Akrobaten*innen zur Hochform auf. Das Programm pendelt dabei zwischen Rockkonzert und Heilige Messe. Leicht verfremdet und liebevoll übersteigert, werden alte Riten in neues Outfit gepackt. Das Publikum ist die Gemeinde, die sich auf ein Zeichen ehrfürchtig amüsiert erhebt. So manche*r Zuschauer*in fällt ins rockige Gebet ein. Läuft für Cirque Alfonse und zwar von der ersten Minute an.
So viel Zuschauerliebe motiviert ganz offensichtlich mächtig, die gute Laune der Compagnie ist sichtbar. Hier werden Weihrauchfässer mit Verve geschwungen und sausen durch die Luft, Akrobaten mit Schalk im Nacken kopfüber getauft oder als menschliche Glocken gen Himmel gezogen. Abenteuerliche Pyramiden stapeln sich in luftige Höhe und der Sprung an die Decke ist nicht fern. Immer gewagter die Kunststücke, die doch so erstaunlich mühelos daherkommen. Dazwischen heitere Einsprengsel wie das um die eigene Achse Drehen in selbstgehäkelten Messgewändern. Cirque Alfonse beweisen konsequent Humor. Was wie die Performance gigantischer Klopapierhütchen anmutet, ist auch ein bisschen Physikstunde: Einem Akrobaten wird ähnlich einer Ballerina nicht schwindlig. Deshalb nach exzessivem Drehen schnell noch elegant lässig eine Stange mit entsprechendem Kollegen am anderen Ende gewuppt. Stimmt, Schwindel befällt an dieser Stelle höchstens das Publikum.
Multitasker an die Macht
Akrobat*in? Kann doch jeder, scheint sich Cirque Alfonse zu denken. Deshalb besteht das Team auch aus Multitaskern. Während die eine neben ihren Luftnummern noch als Leadsängerin fungiert, lässt die Trommlerin bei Bedarf auch die Peitschen knallen. Simultan. Und der Geiger wird zum Prediger, der durch die TABARNAK Messe führt. Die Sprache? Selbstverständlich international. Okay, ganz eigentlich Nonsenssprech mit einem Hauch Latein und deutschen Anleihen. Das Ergebnis erinnert ein bisschen an die Minions und zeigt, Cirque Alfonse hat auch bei TABARNAK Spaß am Schabernack. In dieser Messe sind garantiert alle Religionen willkommen und würde das Programm um sich greifen, eines scheint sicher: viele Kirchenbänke wären nicht länger verwaist.
Fotonachweis: Images im Text (c) Erika Mayer, Sujet (c) Guillaume Morin
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