Familienaufstellung am Schauspielhaus Salzburg mit der Inszenierung von Duncan Macmillans „All das Schöne“
Statistisch betrachtet leiden zur Zeit 400.000 Menschen in Österreich an Depressionen. Das sind 5 Prozent der Bevölkerung. Klingt wenig, ist es aber nicht – zumal da vermutlich die depressiven Verstimmungen noch gar nicht eingerechnet wurden, die das Land ebenfalls plagen. In Großbritannien (Brexit hallo!) ist die Situation gleichwohl noch dramatischer und beträgt satte 25 Prozent. Von der Insel stammt auch Duncan Macmillan. Der junge britische Dramatiker und Regisseur, der sich bisher vor allem den Themen von Millennials und denen drumherum verschrieben hatte, wagte sich ans dunkle Eingemachte und gibt mit „All das Schöne“ der Schattenseite des Seins ein Gesicht. Das wird zurzeit als intensiv einfühlsamer Monolog im Foyer des Schauspielhaus Salzburg aufgeführt (Regie: Verena Holztrattner).
Leichtfüßiger Plauderton
„Erstens Eiscreme. Zweitens Wasserschlachten. Drittens Länger aufbleiben als sonst und fernsehen. (…)“ Die Liste, die die Ich-Erzählerin spinnt, könnte ewig so weitergehen und das wird sie auch noch ein Weilchen. Den Anfang nimmt sie allerdings in der Kindheit der jungen Frau. Als das Mädchen sieben war, versuchte seine Mutter zum ersten Mal sich das Leben zu nehmen. Im leichten Plauderton lässt die Protagonistin die Vergangenheit Revue passieren. Charmant verpackt im Kleid der Umziehenden, die Interessenten durch die bald Ex-Wohnung führt. Dass sie denen dann aber ihr ganzes Leben anvertraut, scheint für beide Seiten völlig in Ordnung. Als Kind habe sie nichts bemerkt, gesteht sie, bis eines Tages der Vater gekommen sei, um sie von der Schule abzuholen.
Was so nonchalant daherkommt, ist das melancholische Gegenteil. Bittersüß die Geschichte mit der Liste, die das Kind startet, um die depressive Mutter aufzuheitern. Die tausend schönsten Dinge will es aufschreiben, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Dass die Mutter die Liste gelesen hat, merkt das Kind daran, dass ihre Fehler fein säuberlich korrigiert wurden. Aber auch sonst liegt so einiges im Argen in dieser Familie. Was genau das ist, erkundet die Protagonistin (Magdalena Oettl) mit dem Publikum. Ja, genau: gemeinsam. Diese Publikumsbeglückung kann man mögen, muss man aber nicht. Zum Glück beweist Oettl Feingefühl. An den Pranger wird niemand gestellt, auch nicht die Mitspiel-Verweigerer. Charmant bietet sie Auswege und steht bei Bedarf als Souffleuse zur Seite.
Lebensbejahend statt Trauerblues
Subtile Pointen sorgen dafür, dass sich „All das Schöne“ nicht im depressiven Fahrtwasser verirrt. Das und das großartige Schauspiel von Magdalena Oettl. Die Schauspielerin verleiht ihrem Text eine natürliche Leichtigkeit mit meistens lebensbejahendem Unterton. Der animiert nicht nur zur Heiterkeit, sondern fordert in den richtigen Momenten Kontenance, ohne dabei schulmeisterlich zu wirken. Lachen folgt auf Stille, Betroffenheit auf Schmunzeln und nimmt der Thematik ihre Schwere. Eine schöne Herangehensweise an ein schwieriges Thema, die ohne Fingerzeig und Verurteilung gelingt.
Fotonachweis: David Haunschmidt
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