In der Stadt gibt es Bettler. In der Stadt gibt es sogar sehr viele Bettler. Die meisten davon scheinen sich tagsüber am Rosenhügel für kleine Pausen zwischendurch zu tummeln, wo sie dann in Gruppen entweder die Sonne und ewige Pausen genießen oder sich unter den Bäumen vor dem Regen verstecken und immer noch ewigen Pausen frönen. Manchmal streiten sie sich auch lautstark, oder zumindest einer von ihnen streitet; der brüllt dann auf alle ein, während ihm alle unisono mit Schweigen kontern. Ich finde das ziemlich klug; es bringt zwar nichts, weil der Wütende weiter wütet, aber rein theoretisch nehmen sie ihm damit zumindest den Wind aus den Segeln. Ich würde dann aber doch gerne wissen, worum es sich bei den sehr einseitigen Schreiduellen eigentlich dreht. Das ist der Moment, wo es ganz fein wäre, ihre Sprache zu verstehen. Tue ich allerdings nicht, deshalb bleiben nur Mutmaßungen. Mitunter können sie allerdings auch Deutsch. Jetzt meine ich natürlich nicht jene, die tagtäglich tausend Mal „Hallo – Biiitteeeee! – Daaankeeee!“ in genau der Reihenfolge und sehr automatisiert von sich geben müssen. Nein, seit Kurzem dürfte eine neue Einnahmequelle entdeckt worden sein, die mir sehr vielversprechend erscheint.
Ich verlasse gerade den Lebensmittelladen und möchte eigentlich die Straße überqueren, als zwei fremdländische Frauen vorbeigehen und mir die eine plötzlich „Wollen deine Hand lesen?“ zu raunt. Das Ganze kann sich eines gewissen konspirativen Hauchs nicht erwehren. Fast genauso leise antworte ich im Vorbeigehen „äh – nein, danke“, ehe sie auch schon ein Stückchen weiter ist und mit der zweiten Frau plaudert, als hätte sie mir nie diese eine Frage gestellt. Alles nur geträumt? Plötzlich komme ich mir ein kleines bisschen wie in einem Roman vor. Für eine Sekunde fühle ich mich sehr literarisch und es würde mich nicht wundern, wenn unvermutet auch noch Michael Kohlhaas in der Menge auftaucht und Zeuge des Moments geworden wäre. Oder die drei Hexen aus Macbeth. Apropos. Für einen Ritt zum Blocksberg wäre ich selbstverständlich und jederzeit zu haben. Auch die Faust’sche Hexenküche würde ich gerne einmal näher unter die Lupe nehmen oder mit dem Meister aus Michail Bulgakows „Der Meister und Margerita“ um die Häuser ziehen. Also falls da noch Plätze frei sind, bin ich selbstverständlich dabei. Ansonsten haben mir die zwei fremdländischen Damen mit ihrer simplen Frage zumindest den Nachmittag literarisiert und das noch dazu gratis. So long and thanks for all the fish!
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