Die Theaterachse bittet zum KONZERT und inszenierte eine höchst vergnügliche Variante des gleichnamigen Ehekomödien-Klassikers aus Hermann Bahrs Feder.
Jedes Jahr gibt es diese theatermageren Monate, die auch als Juni, Juli und August bekannt sind und gerne zum Urlauben genutzt werden. Die Daheimgebliebenen dürfen sich aber freuen, denn so mancher theatrale Leckerbissen versüßt ihnen die unfreiwillige Fastenzeit. Das trifft sich vorzüglich, weil wie sollte man je den Juli und den August überleben, wenn man bereits im Juni mit seinem theaterabstinenten Schicksal zu hadern beginnt?
Die Theaterachse ist so ein Highlight der darben Sommermonate und sorgt mit Mathias Schuhs Inszenierung von Hermann Bahrs DAS KONZERT (Ausstattung: Rafaela Wenzel) für vergnügliche Unterhaltung und amüsante Zerstreuung. Die Vorlage erweist sich dabei als dankbarer Nährboden, die großen Anklang beim Publikum findet. Denn Bahrs Ehebruchs-Komödie setzt weniger auf beleidigte Gehörnte oder niedere Rachegefühle, als auf findige Strategen, Witz und heitere Anekdoten.
Der Charme von Schnitzlers Figurenrepertoire mit seiner Fin de Siècle-Mentalität trifft auf die österreichische Moderne, wenn der beliebte Pianist Gustav Heink in regelmäßigen Abständen mit seiner jeweils gerade präferierten Schülerin in die Berge entschwindet, um an einem angeblichen Konzert zu partizipieren. Alleine diese Konzerte existieren nicht und dienen dem schon in die Jahre gekommenen Künstler lediglich als Vorwand, seiner Gattin und den anderen jungen Schwärmerinnen zu entkommen und ein paar frivole Stunden zu zweit zu erleben. Das Ganze könnte so idyllisch und herrlich amoralisch sein, wenn dann aber nicht just der Ehemann seiner aktuellen Flamme Delfine gewarnt worden wäre und sich gemeinsam mit seiner eigenen Frau Marie auf den Weg zu der einsamen Berghütte machen würde. Das Duell, das eine der verliebten Schülerinnen so fürchtet, bleibt zwar aus, aber Dr. Jura und Maries Lösung des Problems ist ohnedies viel perfider.
Die Besetzung ist wunderbar gelungen. Larissa Enzi begeistert in einer Doppelrolle; als Evchen bringt sie in höherer Stimmlage immerfort verliebt „Meister, Meister“ rufend, den Ehekomödien-Stein vortrefflich ins Rollen, während sich Wolfgang Kandler als ebenfalls köstliche Variante einer anderen Verehrerin entpuppt. Später wird L. Enzi mühelos in die Rolle der untreuen Delfine schlüpfen, die dem Lehrer kokett und selbstbewusst zu seinem vermeintlichen „Konzert“ folgt. Mimisch ausdrucksstark akzentuiert Enzi ihre Handlungen und verleiht ihnen auch optisch komödiantischen Nachdruck. W. Kandler begeistert als Dr. Jura, die eigentliche Hauptrolle des Abends; sachlich-nüchtern tritt der betrogene Ehemann an Marie heran und sprüht gleichzeitig vor Euphorie und Verve, wenn er sich frohen Mutes wie selbstverständlich an der Bar im Heink’schen Haushalt bedient oder in die Jagdhütte spaziert, um den Geliebten seiner Frau ein ungewöhnliches Angebot zu unterbreiten. Das verschlägt diesem übrigens nur beinahe die Sprache; dafür leugnet Gustav Heink viel lieber, doch damit hat Dr. Jura ohnedies bereits gerechnet. Bestens vorbereitet ist der Herr Doktor als obendrein auch noch, während er trocken köstliche Weisheiten zum Besten gibt. So viel Weitsicht verdient Bewunderung, auch wenn die Figur als Alter Ego des Autors gehandelt wird. Umso erstaunlicher dann aber, dass der Schachmatt-Ruf letzten Endes doch aus einer anderen Richtung ertönt.
Gustav Heinks Selbstvertrauen scheint indes grenzenlos; Peter Malzer lässt die Figur als Zentrum seines eigenen Universums auftreten. Es muss fabelhaft sein, so von sich selbst überzeugt zu sein wie Heink. Das Publikum darf gleichzeitig eine kleine Reise in die Vergangenheit unternehmen und bewundernd staunen, wenn Heink frauendiffamierende Reden schwingt und das misogyne Zeitbild eines längst vergangenen Jahrhunderts zitiert. Das wusste auch Hermann Bahr oder ahnte es zumindest, wenn man seine klug agierende Marie (Victoria Morawetz) näher betrachtet. Die gibt sich zwar naiv und tendenziell unwissend, gleichzeitig scheint sie über die Züge der einzelnen Figuren in diesem großen Schachspiel aber immer schon bereits im Vorfeld Bescheid zu wissen.
DAS KONZERT, das eigentlich gar kein Konzert ist, unterhält vorzüglich. Die Zeit verfliegt und das Publikum zeigt sich sichtlich begeistert. Zu Recht! Deshalb, wer in diesem Sommer noch auf der Suche ist, am 2. und 6. Juli läuft DAS KONZERT der Theaterachse noch im Kleinen Theater, danach in Werfen und dann… (Termine). Hingehen lohnt sich. 😉
Fotonachweis: Mathias Schuh (Foto im Text) & Chris Rogl (Beitragsbild) // Die Theaterachse