Wo gehackt wird, fallen Scheite. Und Äxte. Und Ideologien.
Ben Pascals DIE GOLDENE AXT ist ein dystopischer Gegenwartsentwurf im humorig-rustikalen Kleid, der anschaulich demonstriert, wie das mit dem Rutsch ins rechte Eck funktioniert. Gelungene Uraufführung am kleines theater.
Es ist kein Geheimnis: In wackeligen Zeiten kehrt der Mensch zum Innersten zurück. Wenn Krisen und Kriege den Mikro- und Makrokosmos beuteln, entdeckt der kleine Mann mit Abschottung und Flucht ins Beschauliche verlässlich das Biedermeier in sich. Das kann entsprechend polemisiert jederzeit ins rechte Eck kippen und dieser Acker wird von eilfertigen Ideologen nur allzu gerne bestellt. Dagegen hilft nur eines: Augen auf – für Prävention sorgt ein Wink mit dem Empire-State-Building. Während die einen dafür mit Couleur, Deckel und einer weiblichen Burschenschaft Richtung goldenes Matriarchat streben, greift der andere mit der goldenen Axt nach dem Austro-Maskulinismus. Tatsächlich springt Ben Pascal als Drehbuchautor und Regisseur gleich in doppelter Funktion auf den Polemik-Zug auf und hält der Gesellschaft mit DIE GOLDENE AXT ein bedenkliches Szenario vor – das grob und zugleich amüsant für den einen oder anderen blauen Fleck sorgt, auch wenn die Thematik eigentlich gar nicht zum Lachen wäre.
In aller Plot-Kürze
Alle Menschen sind gleich, nur manche sind gleicher. Was bei Orwell Realität ist, musste auch der Holzhans entdecken. Weil er in der Gesellschaft am falschen Ufer steht, zieht er meistens den Kürzeren. Die Frau läuft mit einem Anwalt davon und die Kinder nimmt sie mit. Auch sonst sieht es nicht sehr rosig für den selbsternannten Naturburschen aus. Eine ausländische Firma klaut ihm frech die Kunden unter der Nase weg und als er jähzornig aufbegehrt, landet er auf der Polizeistation. So etwas frustriert und zwar ordentlich. Die Erleuchtung folgt auf den Fuß und führt den Holzhans in ein Wirtshaus, wo er zum ersten Mal dem Austro-Maskulinismus begegnet und zugleich zu seinem Führer ernannt wird. Voller Elan rekrutiert er neue Mitglieder. Die Goldene Axt für jedermann.
Winter is coming
Selten ist ein Theaterabend so produktiv: Gerhard Greiner stemmt nicht nur den Monolog, sondern sorgt in DIE GOLDENE AXT nebenbei auch noch für ausreichend Holznachschub am kleines theater (hier muss nächsten Winter niemand frieren). Während Greiner also als Holzhans seine Geschichte in den unterschiedlichsten emotionalen Stadien durchlebt, saust die Axt in hohem Tempo nieder oder wird durch die Luft gewirbelt. Äxte gibt es in DIE GOLDENE AXT tatsächlich viele; sie kommen – nomen est omen – in allen erdenklichen Größen und Formen daher. Gleichzeitig ist ein spannendes Phänomen zu bemerken: Mit dem Holzhaufen auf der Bühne wächst auch das Wut-Barometer des Protagonisten.
Gerhard Greiner ist ein hervorragender Monologisierer, der sich gleich zu Anfang mit dem Publikum verbrüdert. Mia san mia – zwar ohne Schnaps, aber mit vielen Bekannten, die er gleich alle persönlich begrüßt. Der Holzhans ist schließlich einer aus dem Volk und geht auf Stimmenfang – das inkludiert auch, dass er zu 100 Prozent Mundart parlieren darf, ja, geradezu muss. Gerhard Greiner kommt dem mit Elan und Verve nach und siehe da, das Eis ist schnell gebrochen. Alles lacht und ist ganz Ohr für das Leid und die austro-maskulinistischen Thesen des selbsternannten Naturburschen.
Axstruck
Es ist diese Volksnähe, die den Holzhans konstituiert und die Ben Pascal klug inszenierte. An seiner Figur wird deutlich, wie so eine Übernahme durch unerquickliches Gedankengut laufen könnte. Zuerst ist da das einfache, aber bequeme Leben. Dann der Frust und die Phase, wo nichts mehr so richtig zu funktionieren scheint. Schuld sind selbstverständlich immer die anderen. Es folgt die Radikalisierung, die beim Holzhans neben unglaublich aggressiv auch unglaublich amüsant verläuft. Vergessen ist Aristoteles Ratschlag zur Katharsis. Die funktioniert in der Moderne ohnehin viel besser, wenn man zu éleos und phóbos noch den Humor hinzufügt.
Auch in DIE GOLDENE AXT sorgen Lautstärke, Aggressivität und Komik für heiteres Schmunzeln und vielleicht die eine oder andere düstere Erkenntnis. Dass Gerhard Greiner mit seinem Axt-Act an einer Circus-Performance teilnehmen könnte, ist klar (man denke an Cirque Alfonse und „Timber“ – passt wie Faust auf Auge). Aber auch die illuminierte Hardrock-Szene mit der gebrüllten „Thunderstruck“-Einspielung (AC/DC) sorgt für Eindruck und rückt die gleich darauffolgende Erleuchtung in ein, nun ja, sehr transzendentes Licht.
Monologe, Dialoge und Stream of Consciousness
Gelungen stemmt Gerhard Greiner die Wechsel im Stück. DIE GOLDENE AXT ist zwar ein Monolog, gleichzeitig darf die eine oder andere Metaebene nicht fehlen; seien es die Gedanken-Impressionen des Holzhans‘ oder die rekapitulierten Dialoge mit dem Brücklwirt und Erfinder des Austro-Maskulinismus. Gut, die Gedanken hätten auch live gesprochen werden können. Da stört die Übertragung aus dem Off ein wenig, wenngleich sie an einen bühne gewordenen Stream of Consciousness erinnert. Die Konfrontation mit dem deutschen Kontrahenten oder die Erleuchtung profitieren allerdings gerade von den Wechseln des Schauspielers und erhalten eine eindrückliche Note.
Wer sehen will, wie sich rechtes Gedankengut auszubreiten vermag, ist mit DIE GOLDENE AXT bestens beraten. Kleines Schauder-Moment inklusive, wenn sich der geknechtete Holzhans selbstbewusst als Führer behauptet und eine flammende Rede an das tatsächliche Publikum hält. Das Lachen bleibt dann aber doch irgendwie im Hals stecken, wenn die euphorisch propagierte goldene Axt plötzlich schon mitten unter uns scheint. Wie war das nochmals mit der Katharsis?! …
Fotonachweis: Edin Mustafic
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