Döner zweier Herren – Heckentheater im Mirabellgarten

Als Epidicus auf den Döner kam

Ein Diener, der vor lauter Hunger gleich bei zwei Herren anheuert – das ist Komödienstoff à la Plautus. Den griff einst Carlo Goldoni auf, was wiederum John von Düffel zu DÖNER ZWEIER HERREN animierte: Österreichische Erstaufführung im Heckentheater.

„Bitte, bitte lieber Wettergott!“. Niemand bangt so wunderbar mit jeder Wolke wie das Publikum von Freiluft-Veranstaltungen. Zeigt sich die Witterung gnädig, wird ihr gerne mit leichter Theaterkost gehuldigt. Das ist die Stelle, wo meistens der Name Carlo Goldoni fällt – während Plautus einsam und vergessen in seinem Grab rotiert. Tatsächlich war der römische Dichter einer der ersten und produktivsten Komödien-Macher seiner Zeit, ach was, überhaupt. Das muss man erst einmal sacken lassen. Plautus‘ Stücke sind immer noch weltberühmt, er allerdings weniger. Ersteres verdanken wir den nachfolgenden Generationen, Stichwort Carlo Goldoni also. Der bediente sich gerne am Œuvre des antiken Römers wie beispielsweise am Sklaven zweier Herren, „Epidicus“, an dem er mit dem blaugepausten „Diener zweier Herren“ anknüpfte. Die Komödie wiederum – wir nähern uns langsam dem Hier und Jetzt – eignet sich ganz hervorragend für sommerliche Unterhaltung im Freien. John von Düffel holte das Sujet mit „Döner zweier Herren“  ins 21. Jahrhundert, inklusive heiterem Nationalitäten- und Gender-Verwirrspiel. Das Ergebnis belebt aktuell in einer Inszenierung des Salzburger Landestheater das Heckentheater im Mirabellgarten.

In aller Plot-Kürze

Rosi will Siegfried heiraten, ihre Väter sind schon fleißig am Aushandeln der diversen Vertragsklauseln, doch dann taucht plötzlich Rosis totgeglaubter Ex-Verlobter Federico Raspondi wieder auf. Die Verwirrung ist groß und steigert sich weiter, als eine sehr feminine Variante des feurigen Italieners die Szene entpuppt. Dahinter verbirgt sich Federicos Zwillingsschwester Beatrice, was wiederum nur Blondina, die vom Vater der Braut verfolgte Magd weiß. Dann ist da noch Kemal, der türkische Diener, der vor lauter Hunger bei einem zweiten Herrn anheuert und das Verwirrspiel erst so richtig befeuert.

Maulschellen-Suppe

Das Salzburger Landestheater hat sich für den Sommerbeginn eine feine Freiluft-Sache ausgedacht: Michael Moritz inszenierte im barocken Heckentheater ein Stück aus dem 18. Jahrhundert, das eigentlich der römischen Antike entspringt und im Hier und Jetzt seinen Anker mit Mitteln der commedia dell’arte auswirft. Eigentlich eine Steilvorlage für Chaos und Disharmonie, die es aber prompt verweigert. Stattdessen setzt DÖNER ZWEIER HERREN auf volkstümlich-derben Humor, jede Menge inszenierter Stolperschritte und hyperbolische Gestik mit zeitgenössischen Einsprengseln. „Dönerwetter“, murmelt der leidgeprüfte und herrlich naive Kemal (Gregor Schleuning) immer wieder mit großen Augen, wenn er tollpatschig durch die Kulisse stolpert und mit artistischer Eleganz Teller oder Äpfel jongliert. Es ist diese Kunstfertigkeit, die für befreites Lachen in den Heckentheater-Reihen sorgt und durch Gregor Schleunings expressive Mimik und Hanswurstiaden akzentuiert wird. Keine Frage, hier findet das Volk seinen ironischen Anknüpfungspunkt und Bühnenvertreter. Dass der immer wieder Prügel bezieht, schmerzt hörbar, trägt aber zum Plautus-Charme der Goldoni’schen  von Düffel-Adaption bei.

Heiteres Verwirrspiel

Vier weiß getünchte Türen, fünf weiße Buchstaben, ein paar Scheinwerfer und das eine oder andere musikalische Leitmotiv – mehr braucht Sommer-Komödie nicht, um gute Laune zu verbreiten. Wenn dann die Darsteller*innen noch mit weiß geschminkten Gesichtern und rot gefärbten Wangen auftauchen, hat das in der Tat so etwas commedia dell’arte-artiges, aka volksnahes, fröhliches, an sich, das ansteckend wirkt. Subtil adaptierte Kostüme mit zeitgenössischen Einflüssen tragen das ihrige zum modernen Crossover-Charakter bei (Bühne und Ausstattung: Katja Schindowski).

Das Figurenpersonal ist ein Klassentreffen von antiken römischen Archetypen, die einmal mehr auf Plautus‘ Kappe gehen. Da findet sich neben dem clownesken und ewig hungrigen Diener auch der geizige Vater ein. Nicht nur Molière kann ein Liedchen davon trällern („Der Geizige“), auch John von Düffel nahm sich seiner an und lässt ihn obendrein nach der Magd lüstern. Axel Meinhardt gibt den knausrigen Unhold Gundolf mit polternder Fröhlichkeit, lauter Gemütlichkeit und derben Gesten. Immer wieder nestelt er am eigenen Mantel herum, vermutlich aufgrund des für die Vorstellung explodierten Vorderbaues, mit dem er die Leute regelmäßig vor den Bauch stößt – mit Hingabe allerdings Doktor Lombard. Als (ein)gebildeter Jurist mit Hang zum Angebertum und permanentem Latein-Zitat-Bombardement ist Walter Sachers der perfekte Dottore. Dass er dabei nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, versteht sich von selbst wie übrigens auch Siegfried (Tim Oberließen). Der wird in schlagender Burschenschaftsmontur des Vaters zum deutschtümelnden Anwaltssohn. Andernfalls ist Siegfried auf seine Triebe reduziert und kämpft mit Rosi um jeden einsamen Raum. Noch eiliger hat es nur die Angebetete selbst (Genia Maria Karasek), die Siegfried nur allzu gerne in die dunklen, und nicht ganz so dunklen Winkeln, des Gasthofs folgt. Humorig die Eskapaden hinter und vor den Türen, bei denen das Schauspieler-Duo vor allem auf Lautstärke und Temperament setzt. Das besitzt auch Nikola Rudles ironisch-resignierte Magd Blondina, die mit schlagkräftigen Argumenten im Notfall nicht hinterm Berg hält. Bei Bedarf schwingt sie auch den Kochlöffel für die Duell-Geräuschkulisse, was tatsächlich wunderbar zum commedia dell’arte Aspekt beiträgt.

Als Beatrice in der Rolle des Federico hat sich Christiane Warnecke nicht in der Bühne geirrt. Abwechslung ist alles oder in diesem Fall der Spagat zwischen drei Häusern. Für DÖNER ZWEIER HERREN schlüpft die Schauspielerin in einen Hosenpart mit… „interessanter“ Perücke – beides meistert die Schauspielerin allerdings mit Spielfreude, großzügig applizierter Ironie und sehr vielen Ohrfeigen Richtung gebeuteltem Kemal. Burschikos resolut gibt sie sich als Zwillingsbruder aus, während sie bei jeder zufälligen Erwähnung von Florian Müller (Marco Dott) vor Hingabe förmlich zerfließt. Den Avancen von Rosi kann sie sich zur allgemeinen Erheiterung nur mühsam erwehren. Dass Florian und Beatrice sich im Laufe des Stücks immer wieder verpassen, ist noch so ein Teil des großen Plautus-Komödienplans – und der sollte vieles, nur nicht in Vergessenheit geraten.

 

Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger

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