Effi Briest

Effi Briest – Salzburger Landestheater

„Effi Briest“ als starke One-Woman-Show im OVAL: Lisa Fertner macht’s in Falco Blomes Inszenierung möglich – wortgewaltig von Allegro bis Andante.

Eine Schauspielerin, eine Bühne und ein literarischer Schuh, der so überdimensioniert scheint und erstaunlicherweise trotzdem wie angegossen sitzt. Lisa Fertner schlüpft mit „Effi Briest“ in eine der tragischsten Frauenfiguren der Weltliteratur und wuppt das Schauspiel im Alleingang. Sprichwörtlich, denn diese Effi ist eine One-Woman-Show, die selbst die Stimme erhebt und ihre Geschichte in Eigenregie zum Besten gibt. Ein ganzer Gesellschaftsroman, mit nur einer Figur auf die Bühne gehoben, ja, geht denn das? Selbstverständlich, wenn die Inszenierung so feinsinnig dramatisiert daherkommt und trotzdem noch so im Original verhaftet ist wie Falco Blomes „Effi Briest“ (Dramaturgie: Friederike Bernau). Die Bühnenfassung produzierte das Altstadttheater Ingolstadt im Fontane Jahr 2019. Im OVAL – die Bühne im Europark wird es jetzt in einer überarbeiteten Fassung des Salzburger Landestheater aufgeführt.

Sag’s mit Fontane

Das Besondere an dieser „Effi Briest“ ist, dass sie Fontanes Ursprünglichkeit bewahren durfte. Der berühmte Gesellschaftsroman als zeitgeschichtlicher Monolog, der aber nicht zwanghaft an die Moderne angepasst wurde. Die Eloquenz des Originals bleibt bestehen und fügt sich erstaunlich homogen in den neuen kompakten Rahmen, ohne aufgesetzt zu wirken. Diese Zeitlosigkeit von Fontanes Worten erfreut und begeistert gleichermaßen in einer Gegenwart, wo ganze Generationen nur noch in verkürzter Orthografie und mittels Emojis zu kommunizieren scheinen. Eine der wenigen Zugeständnisse sind die großzügigen Striche, die dafür sorgen, dass das stattliche Text-Konvolut auf eine immer noch sportliche Spielzeit reduziert wird. Umso herausragender die Leistung von Lisa Fertner, die diesen Monolog mit stattlicher Überlänge dennoch im beachtlichem Tempo absolviert.

„Nicht so wild Effi, nicht so leidenschaftlich“

Dabei begeistert diese Effi vor allem durch ihre Intensität. Egal ob verspielte 17jährige oder desillusionierte 28jährige, Fertners Figur erfährt eine emotionale Achterbahnfahrt und fasziniert, bedrückt, amüsiert oder bewegt gleichermaßen, je nach Lebensstation. Damit regt sie das Publikum zum Mitleiden an – oder frei nach Aristoteles, zur Katharsis. Tatsächlich ist die gesellschaftliche Situation, die Fontane mit „Effi Briest“ anprangerte, ein Jammern und ein Schaudern. Dennoch bleibt die Figur erstaunlich wertfrei – ganz wie einst der Autor selbst, der nur an späterer Stelle dann doch Position bezog. Sachlich berichtet auch die dramatisierte Effi. Aber genau diese Distanz zum eigenen Schicksal verstärkt die tragische Dynamik, die vor allem durch die gesellschaftlich betriebene moralische Negierung entsteht.

Dramaturgisch übrigens clever unterstützt durch Briefe und Kärtchen, die unter Gegenständen hervorgezogen werden. Musikalisch begleitet sich Fertners Effi Briest dabei selbst am Klavier. Mit immer ähnlicher (oder gar gleicher) Melodie, so scheint es, nur unterschiedlich interpretiert. Je nach Stimmungslage tönt es da Allegro, Andante oder etwas dazwischen von der Bühne. Das Ende ist bekannt. Trotzdem ist der Abgang der Figur stark. Nicht nur, aber besonders auch in Anbetracht der himmelschreienden Ungerechtigkeit, wenn Effi von zornig zu versöhnlich wechselt und mit fester Stimme verkündet, „denn er hatte viel Gutes in seiner Natur und war so edel, wie jemand sein kann, der ohne rechte Liebe ist.“ Wertfrei ist das Publikum an dieser Stelle vermutlich längst nicht mehr, aber hoffentlich umso beeindruckter von der großartigen Leistung Lisa Fertners. Chapeau, für so viel komprimierte Leidenschaft.

 

 

 

Fotonachweis: Christina Baumann-Canaval

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