PARTY IN DA SOMMERSZENE-HOUSE
Tupperparty, Kerzenparty oder Dessousparty? Schnöder Schnickschnack. Die Salzburger Sommerszene holt sich mit der HOUSEPARTY von notfoundyet lieber das Fast-Original auf die Bühne.
Kennt eigentlich noch jemand die britische TV-Show „Houseparty“? Die lief zwischen den sechziger und neunziger Jahren und prägte – behauptet zumindest Dr. Google – ganze Generationen. Nein? Dann sind wir schon zu zweit! Oder waren es bis gerade eben. Die Künstler Laia Fabre und Thomas Kasebacher luden im Zuge der Sommerszene unter ihrem Label notfoundyet zu einer ganz persönlichen Houseparty – und nutzten das Genre des geselligen Zusammenseins für ein kleines Sozialexperiment.
Das Konzept der HOUSEPARTY verlief im britischen Fernsehen immer nach dem selben Prinzip: Die Sendung wurde tagsüber ausgestrahlt, fand im Wohnzimmer statt und jede neue Person wurde mit Türklingeln angekündigt. Männer? Fehlanzeige. Die Runde bestand immer aus Frauen, die sich über die neuesten Strickmuster, Nähtechniken oder Geschenksideen in harmonischer Atmosphäre unterhielten. Kritische Töne oder Missklang? Keine Chance. Heute schmunzeln wir darüber und lächeln wissend: Gestrige Frauenbilder und Geschlechteridentitäten werden mit der HOUSEPARTY auf dem Silbertablett serviert.
Was passiert aber, wenn man die Perspektive wechselt und die aktuelle Gesellschaft in eine antiquierte HOUSEPARTY packt? Würde die überhaupt noch funktionieren bei all der Policital Correctness unserer Tage? Höchste Zeit, das herauszufinden! notfoundyet gereichen ihrem Namen zu aller Ehre und wagen das überspitzte „Sozialexperiment“ in englischer Sprache. Als Basis genügt ein Sofa und mehrere Bildschirme – das obligatorische Läuten an der Haustüre kündigt den Beginn an: Gemeinsam wird vor dem Publikum musiziert, mal mehr (Thomas Kasebacher höchst enthusiastisch), mal weniger (Laia Fabre mindestens genauso engagiert) tonsicher; das breite Grinsen und die aufgesetzte Fröhlichkeit aus dem letzten TV-Format-Jahrhundert sitzen felsenfest. Genauso wie die verstaubten Frauenklischees. Es wird deutlich, notfoundyet rollt die Gegenwart mit der Vergangenheit auf. Langsam akklimatisiert sich das Publikum und wird peu à peu an seine aktive Rolle herangeführt. Das weiß es zu dem Zeitpunkt freilich noch nicht – und befindet sich plötzlich hinter der Bühne. Das war so nicht geplant, wo ist der Ausgang? Den zu erreichen, ist es leider bereits zu spät, also auf ins Ungewisse. Das entpuppt sich als heitere Kreuzung zwischen Quiz-Show und, nun ja, Houseparty eben.
Das Publikum verteilt sich nach kurzer Ansage selbstständig auf vier Gruppen: Kochen, Drinks, Musizieren und Spielen. In der Spielgruppe klappt das mit der Anpassung erstaunlich gut – alle sind sich einig: nicht küssen. Genau das ist die Aufgabenstellung der meisten Spielvorschläge, könnte aber unangenehm werden. Dann doch lieber Luftballons aufblasen und der Dinge harren, ehe notfoundyet zur Räson rufen und mahnen, doch alle Spiele auszuprobieren. Das hat System – langsam nähert sich die HOUSEPARTY ihrem eigentlichen Ziel. Die eine wird aus der Koch-Gruppe verdammt, weil sie Keime transportieren könnte, und komplettiert die Spielgruppe. Die andere rät Alkoholikern, gar nicht erst zur Party zu gehen, und fliegt schnurstracks aus der Cocktail-Gruppe. Der Nächste hat es nicht so mit Akustikmusik und erhält bei den emsigen Alkohol-Mixern-Asyl – während die anderen der Akustik frönen. Als dann aber die gekochten Spaghetti ohne Rücksicht auf Verluste mit Schinken und Eiern in Berührung kommen, die Spielgruppe sich für ein Spiel mit zu viel Körperkontakt entscheidet (aber immerhin ohne Küssen!), die Drinks zum Gros aus Alkohol bestehen und die Musik alles übertönt, ist Schluss mit lustig. Was ist mit all den Laktose-Intoleranten, Berührungs-Phobikern, Anti-Alkoholikern und Musik-Boykottierern, hat die irgendjemand gefragt? Eben, lautet die erstaunlich simple und schnörkellose Antwort. Die hätte freilich noch subtiler verpackt werden können. Aber das entspräche vielleicht auch gar nicht dem Format. Und inoffiziell ging es dann ohnehin nach Fall des Vorhangs weiter. Es muss ja schließlich auch einen Grund geben, warum das britische Original in den Neunzigern eingestellt wurde… 😉
Fotonachweis: Christine Miess
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