Jakob Kücher (c) Theresa Kücher

„Ich würde das Publikum ebenfalls Mitleiden lassen.“

Jakob Weltenbummler: Kreative Diversität wird bei Schauspieler Jakob Kücher großgeschrieben und führt direkt in die eigene Fantasywelt.

Nun gut, vielleicht ist eine Fahrt bis Slowenien noch keine Weltumrundung, aber ein bisschen wie ein Globetrotter durfte sich Jakob Kücher diesen Sommer schon fühlen, als er das Fahrrad der Oma aus dem Keller befreite und zur Reise ins Nachbarland antrat. Per Pedale wohlgemerkt, denen am Fahrrad. Ein ziemliches Unterfangen für den bekennenden Nicht-Radler. Der Schauspieler gerät trotzdem ins Schwärmen, wenn er von seinem Abenteuer erzählt, das nur dadurch zustande kam, weil Corona bedingt der Autotrip nach Griechenland ins pandemische Wasser fiel. Es zeigt sich schon an dieser Stelle, bei Kücher ist das Glas halbvoll. Oder wie er beinahe entschuldigend anmerkt: „Ich war immer schon ein bisschen ein Glückspilz. Sorry!“.

Die Freude an den kleinen Dingen

Jakob Kücher (c) Ernest Stierschneider
© Ernest Stierschneider

Der erste Lockdown? „Ziemlich gemütlich. Ich machte weder Sport noch sonst was. Dafür bekomme ich jetzt die Retourkutsche“. Im Gegensatz zu damals ist Kücher am Schauspielhaus Salzburg aktuell sehr involviert. Wenn dann eine Absage nach der anderen eintrudelt und Proben aufgeschoben werden, dann „sind das schon so Stiche ins Herz. Inzwischen freut man sich sogar über die kleinen Dinge“, erklärt der Schauspieler.

Als Lockdown Pro will sich Kücher nicht bezeichnen. „Profi würde ja bedeuten, dass ich nichts an mich heranlasse und bestenfalls noch anderen ihre Zweifel und Ängste nehme, weil ich so ruhig, gelassen und allwissend bin.“ Auf dem Sofa versumpft der Schauspieler trotzdem nicht. „Ich nutze die Zeit. Ich mache Sport, lese viel und versuche neue Projekte voranzutreiben.“ Eines davon ist die Literatur. Jakob Kücher schreibt viel, hauptsächlich Fantasy. „Ich will eine eigene Welt kreieren, wie man sie auch bei J.R.R. Tolkien oder Steven Erikson findet. Bei mir sind die Geschichten deshalb auch alle eher düster angelegt. Sie haben etwas Morbides an sich. Und natürlich ist es auch eine Reihe, die ich  irgendwann veröffentlichen möchte und an der ich schon einige Jahre arbeite.“

Jakob Kücher
KRABAT © Jan Friese

Good cop, bad cop

Die Faszination für das Dunkle, das Mephistophelische schlägt sich auch im Rollenwunsch nieder. „Bitte bloß nicht Romeo!“, bricht es prompt aus ihm hervor. Dazu sollte man anmerken, dass Kücher schon ziemlich viel Erfahrung mit dem liebestollen Montague ohne Rückgrat hat. Was die meisten vermutlich nicht wissen, er ist das ehemalige Quotenkind aus ROMÉO ET JULIETTE, eine Festspielinszenierung von Bartlett Sher. Das führte ihn als 11jährigen endgültig zum Theater. Damals besuchte Jakob aus Neugierde ein Casting und wurde spontan zuerst zum Einspringen und dann zum Bleiben gebeten. Damit die Veroneser nicht an Überalterung litten, musste er ständig über die Bühne laufen. Ein echtes Erlebnis, auch weil sich für den Jungschauspieler damals weitere Türen öffneten und danach feststand, „das will ich machen.“

Jakob Kücher (c) Jan Friese
Jakob Kücher mit Kristina Kahlert in VÖGEL © Jan Friese

Auf die Rolle des Romeos verzichtet der Schauspieler trotzdem gerne. „In meinen bisherigen Rollen war ich meistens verliebt, die brave Heldenfigur oder einfach ein bisschen verwirrt. Dabei würde ich viel lieber gerne mal in die Rolle eines Teufels oder etwas Ähnliches schlüpfen. Egal  ob JEDERMANN, BLACK RIDER oder LAMM GOTTES. Das durfte ich bisher noch nie, aber vielleicht klappt es in nächster Zeit sogar. Im FLOSS DER MEDUSA gibt es die Figur des Viktors; ein vierzehnjähriger Junge aus gutem Hause, der wegläuft, weil er das Abenteuer sucht. Unglücklicherweise kommt er auf die Medusa, ein unheilbringendes Schiff. Viktor ist ein Charakter, mit dem das Publikum am meisten mitleidet, weil er auch ein Symbol für alle diese Gräueltaten ist, die im Stück geschehen. Das hat übrigens auch schon wieder etwas Sadistisches an sich“, wirft Jakob Kücher ein und lacht. „Ich würde das Publikum ebenfalls Mitleiden lassen. So in die Richtung, dass man zuerst denkt, ‚ohhh, so ein süüüßer Junge geht auf Abenteuer‘ und dann, ‚OH MEIN GOTT, die verbrennen ihm die Hand!!!!!‘.“

Lamm Gottes

© Theresa Kücher

Die Premiere von LAMM GOTTES musste zwar verschoben werden, aber: „Wir wollen es nachholen. Ich hoffe, es wird nachgeholt, weil es ein wirklich tolles Stück ist. Der ganze Abend ist ein interessanter, philosophischer Theaterabend, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.“ Apropos. Wenn jetzt alle Stücke verschoben werden müssen, gibt es dann nicht zwangsweise irgendwann einen „Stücke-Rückstau“? „Das kann und wird wohl sein“, mutmaßt der Schauspieler, „weil es sich sonst ja auch nicht ausgehen würde, alles nachzuholen. Allerdings haben wird dann auch weniger Probenstress, weil schon vorgeprobt wurde. Und das Positive daran wiederum ist, dass man das Stück mit neuen Augen sieht und mit diesen neuen Eindrücken arbeiten kann.“ Da ist es wieder, dieses halbvolle Glas, das Jakob Kücher zum echten Glückspilz prädestiniert. Auch in Zeiten wie diesen.

 

Fotonachweis: siehe Bildunterschriften

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