Kristin Henkel (c) Patrick Harzig

„Immer wenn ich die Bühne betrete, geht mein Herz auf“

Im ersten Lockdown häkelte sie einen Sitzsack, auf dem inzwischen die Katze schläft. „Ja, mir war sehr langweilig“, gesteht Schauspielerin Kristin Henkel und erklärt, warum sie ihren Traumberuf trotz der aktuellen Differenzen nie aufgeben würde.

Man sieht es ihr nicht an, aber Kristin Henkel hat es ziemlich dick hinter den Fäusten. Die Handtasche streitig machen? Keine so gute Idee bei der Schauspielerin, die gleich mehrere Bühnen beherrscht – auch die des Boxsports. Wo man so etwas lernt? Wer hätte es geahnt, an der Schauspielschule.

„Wir haben entweder in der Schule oder in der „Ritze“ auf der Reeperbahn trainiert“, erklärt Henkel, ein echtes Nordlicht, das es zur Ausbildung nach Hamburg zog. Die Ritze ist eine Kultkneipe mit eigenem Boxring. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich nach der Schule regelmäßig noch auf die Reeperbahn gefahren bin, um weiter zu trainieren. Boxen wurde zum idealen Ausgleich für mich, wobei ich aber nur Sparring mit Kopfschutz und Pratzentraining mache. Zu richtigen Kämpfen kam es noch nicht, dafür schlafe und esse ich zu gerne,“ verrät Kristin Henkel und lacht. Auch wenn sie inzwischen in Österreich einen perfekten Boxverein gefunden habe, „ich trainiere auch öfters über Zoom mit meinem Hamburger Trainer. Er liebt es, Menschen zu quälen“, schmunzelt die sportaffine Schauspielerin.

WIENERWALD © Reinhold Winkler
WIENERWALD © Reinhold Winkler

Willkommen, bienvenue, welcome

Die schrille Bühnenwelt ist bei Kristin Henkel richtungsweisend. Das Boxtraining auf der Reeperbahn, check. Und die Liebe zum Theater? Die entdeckte sie als Zwölfjährige, während sie mit den Eltern eine Travestieshow besuchte. „Ich war fasziniert von den Kostümen, der Schminke, den Lichtern, überhaupt den ganzen Farben und der Komödie, vor allem aber von der Wandlungsfähigkeit. Als ich nach der Show die Schauspieler sehen wollte und niemanden erkannte, dachte ich mir: Das will ich auch machen! Ich will mich auch auf der Bühne verwandeln und eine ganz andere Person darstellen.“

Der Wunsch saß, wackelte und hatte Luft. Da half auch die mütterliche Anweisung nichts, zuerst etwas Ordentliches zu lernen. „Ich habe zwar eine Ausbildung beim Anwalt begonnen, aber sie nach sieben Monaten genauso erfolgreich wieder abgebrochen. Nach einem Jahr Regieassistenz, langem Nerven und Überredungsarbeit bin ich ans Theater gegangen. Meine Mama hatte es wirklich nicht leicht mit mir.“

„Ich fühle mich in Salzburg pudelwohl und bin glücklich, hier zu sein“

FETTES SCHWEIN © Foto Flausen
FETTES SCHWEIN © Foto Flausen

Der Einsatz lohnte sich. „Immer wenn ich die Bühne betrete, geht mein Herz auf“, verrät Kristin Henkel. „Nach einer Vorstellung, in der ich mehrere Rollen verkörperte, erklärte mir eine Zuschauerin, dass kein Kostümwechsel nötig gewesen wäre. Sie hätte meine Rollenwechsel auch so erkannt. Das war das schönste Kompliment, das ich je bekommen habe. Natürlich muss ich noch sehr viel lernen, aber wenn man so etwas hört, dann ist das einfach ein tolles Gefühl.“ Das Salzburger Publikum konnte sich schon ein Bild von Henkels Schauspielkünsten machen. Seit Kurzem ist sie in der freien Szene aktiv und wirkte bereits in einigen Stücken des Theater ecce mit. Zuletzt in FETTES SCHWEIN. Das musste Corona bedingt zwar abgesagt werden, soll aber 2021 wiederaufgenommen werden.

Was Kristin Henkel niemals einfallen würde, eine Rolle abzulehnen. „Dazu bin ich doch viel zu neugierig. Wenn mir eine Rolle anfangs nicht gefällt, dann bedeutet es oft, dass ich sie noch nicht richtig verstehe. Das ist mir auch schon mal passiert, als ich sie dann erarbeitet habe, habe ich sie geliebt… zum Glück gibt es Proben“, sagt Henkel und lacht. Traumrolle? „Es gibt so viele Rollen, die ich noch gerne spielen würde, die kann ich gar nicht alle aufzählen“.

Kekse, Wein und Durchhaltevermögen

WIENERWALD © Reinhold Winkler
WIENERWALD © Reinhold Winkler

Dass dieses Jahr ein sehr anstrengendes ist, vor allem für die Kultur und die freie Szene, muss an dieser Stelle nicht extra erwähnt werden. Auch Kristin Henkel gerät bisweilen ins Grübeln. „Natürlich habe ich mich schon öfters gefragt, ob das alles der richtige Weg für mich ist. Oft hatte ich auch Ängste, kein Engagement mehr zu finden, vor allem, weil ich noch ein „Neuling“ bin. So geht es aber vermutlich vielen KollegInnen. Ich habe sogar schon überlegt, ob ich vielleicht doch etwas anderes machen soll, aber das Problem ist… mich interessiert das andere nicht. Außerdem wäre ich auch nie da gelandet, wo ich jetzt bin, wenn ich nicht mit Freude an der Arbeit dran geblieben wäre. Deshalb gilt: Arschbacken zusammengekniffen und warten, bis der ganze Mist vorbei ist (sorry).“

Was würde Kristin Henkel als Politikerin anders machen? „Ich bin froh, dass ich keine bin und mich unbeliebt machen muss. Auch wenn sie das Beste aus der Situation herauszuholen versuchen: Jetzt Lockdown und danach normal Weihnachten feiern? Das wird die Situation keinesfalls verbessern. Ich bin mit vielem nicht einverstanden. Zum Beispiel die Theater als erstes zu schließen. Kultur ist wichtig und unentbehrlich. Trash TV anstatt Theater? … na bravo! Aber ich bleibe brav zu Hause, decke mich mit Keksen und Wein ein und freue mich, wenn der ganze Spuk endlich vorbei ist.“

Termine für FETTES SCHWEIN hier

 

Fotonachweis: siehe Bildunterschriften

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