Persifliere sich wer kann: „Der Schuh des Manitu“ am Salzburger Landestheater
Ein Hauch von Broadway liegt in der Luft. Ok, vielleicht nicht ganz Broadway, vielmehr Off-Broadway. Und da eigentlich ja auch eher Off-Off-Broadway. Schließlich hält das Salzburger Landestheater konsequent die unter 500 Grenze, um einen Besuch mit 2G zu ermöglichen. Trotzdem ist es die große Musicalluft, die aktuell durch die Schwarzstraße wabert. Dort haben sich Andreas Gergen und sein bewährtes Team eingefunden und sind einmal mehr zu Wiederholungstätern geworden. Diesmal schufen sie im Auftrag des Deutschen Theater München und das Salzburger Landestheater in Kooperation mit Stage Entertainment & herbX film GmbH eine Neuinszenierung von „Der Schuh des Manitu“ (ja, dem Film). Und wer schon frühere Produktionen der Künstler-Clique gesehen hat, weiß: Es wird bunt, laut, frech und ziemlich amüsant.
In aller Plot-Kürze
Die Blutsbrüder Abahachi und Ranger leihen sich Geld beim Schoschonen-Häuptlingssohn, um vom Ganoven Santa Maria ein Stamm-Lokal zu kaufen – das sich allerdings zügig als umfallende Kulisse entpuppt. Der Häuptlingssohn flieht mit dem Geld, wird aber von Santa Maria erschossen. Der Schoschonen-Häuptling hält Abahachi und Ranger für die Mörder, die daraufhin an den Marterpfahl gebunden werden und nur durch Zufall entkommen können. Um an Geld zu gelangen, suchen sie nach Teilen einer Schatzkarte, die ihnen den Weg zu einem versteckten Edelstein weisen soll. Dabei sind sie auf die Hilfe von alten Bekannten angewiesen und Santa Maria ist ihnen bereits dicht auf den Fersen.
Der Traum kleiner Jungs
Italo-Western, Karl-May-Verfilmungen und Co: Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist dem „Schuh des Manitu“ heilig. Das war schon vor genau 20 Jahren so und ist es auch heute. Pünktlich zum Jubiläum kommt das neue Musical und verpasst dem aktuellen Woke-Trend damit eine freche Kopfnuss. Political Correctness? Wen juckt’s. Ganz sicher nicht die Macher vom „Schuh des Manitu“, die es ziemlich wild treiben.
Dafür schuf Sam Madwar mit dem spannenden Bühnenbild den Traum kleiner Jungs, abgerundet von den Kostümen Conny Lüders‘. Das riesige Klettergerüst eint nicht nur Klischees, sondern verbindet auch comichafte Elemente mit Kino-Anleihen. Besonders gelungen, Geräuschemacher Sebastian Moritz Kiefer. Auch wenn er ein Schattendasein am Rande der Bühne fristet, wer ihn erspäht, dem fällt es vermutlich schwer, den Blick wieder von ihm zu wenden. Schließlich sorgt Kiefer für das akustische Fine-Tuning. Von Fitschepfeil bis Nahkampf lässt er es krachen, knacksen, pfeifen und sausen. Eine Kunstform für sich, die ebenfalls als Verbeugung vor dem frühen Kino gedeutet werden kann. Übrigens kunstvoll choreografiert von Simon Eichenberger, wo selbst wilde Kämpfe noch zu eleganten Showeinlagen werden.
Nächster Stopp: Abenteuer
Manchmal ist weniger mehr. Auch wenn die Fahrt durch den Berg rasant, spannend und ein echtes 3D-Brillen-Erlebnis ist, nötig wäre das Feature nicht gewesen. Wo es jetzt aber schon mal Teil der Show ist, verwandelt es das Publikum in lauter potentielle Indiana Jones‘. Wo geht’s hier bitte zum nächsten Abenteuer? Abahachi (Mathias Schlung) und Winnetouch (Marc Seitz) brauchen das gar nicht erst zu suchen, es findet immer sie. Kein Wunder, dass der motivierte Blutsbruder Ranger (Andreas Nützl) gerne mault, jeden zweiten Tag wieder am Marterpfahl zu landen. Trotzdem haben sie sich lieb, auch wenn die Beschimpfungen im tiefsten Bairisch nur so fliegen. Ein Lob gebührt auch dem Casting-Team der Produktion. Die Zwillingsbrüder Abahachi und Winnetouch sehen sich im Kostüm verblüffend ähnlich und schenken sich auch stimmlich nichts. Der Konkurrenzkampf geht auf die nächste Ebene.
Ohwurm-Alarm beim „Schuh des Manitu“
„Ich trinke Ouzo und was machst du so?“. Auch wenn die Dialoge im Original verharren, die Musik von Martin Lingnau sitzt, wackelt und hat Luft – außerdem macht sie ziemlich viel Laune. Dabei vergisst das Publikum dann gerne mal, dass es an der Garderobe ja Tüten mit Manitu-Partyutensilien erhalten hat. Knicklichter für romantische Songs, Papier für das Knistern des Lagerfeuers und Taschentücher, wenn die beiden in den Sonnenuntergang reiten.
Den Ohrwürmern heizt das Ensemble fleißig ein. Auch wenn hier wieder uralte Klischees ausgepackt werden. Dass der Grieche (Fabio Disos) gerne Ouzo trink, wird spätestens nach der dritten Wiederaufnahme des Themas mehr als deutlich. Verübeln fällt leider auch schwer, schließlich sprüht dieser Dimitri vor Charme. Uschi (Julia-Elena Heinrich) animiert indes zum Jodeln und castet sich Ranger, während sie einen Alpenrocker in die Wüste schickt.
Busy bees
Santa Maria (Axel Meinhardt) wird vom Ensemble des Salzburger Landestheater gestellt und teilt gerne aus, selbstironisch auch auf den originalen Darsteller Sky du Mont. Das gelingt Meinhardt vorzüglich und mit altbekanntem Charme. Eine der wandelbarsten Schauspieler des Abends ist Sebastian Smulders. Voller Elan schlüpft Smulders von einer Rolle in die nächste und mutiert zum echten Hans-Dampf-in-allen-Gassen (als Falscher Hase/ John/ und später noch Indianer) – während Christoph Wieschke nur in der allerersten Szene einen Auftritt hat und danach nicht mehr gesehen ward #freedieunbekannterolle.
Multitasking steht indes bei Listiger Lurch (Matthias Hermann) an der Tagesordnung, der wahlweise auch als Sheriff oder Karl May die Bühne für sich beansprucht. Abahachi (Mathias Schlung) und Ranger (Andreas Nützl) rollen mit ihren kongenialen Pferden in jedes vorhandene Fettnäpfchen, während Winnetouch (Marc Seitz) ungeniert in seinen Puderrosa Tönen schwelgt. Nur die berühmte Jacqueline musste leider zuhause bleiben. Aber auch ohne anspruchsvolle Stute erfüllt „Der Schuh des Manitu“ alle Voraussetzungen für eine gelungene Off-Off-Broadway Version. Das Musical bringt gute Laune, viel zu viele Ohrwürmer und einen Theaterabend, der etwaige Pandemien außen vor lässt. Mission gelungen, Publikum quickfidel.
Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger
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