Denn sie wissen ganz genau, was sie tun.
Caroline Richards temporeiche Inszenierung von TRENNUNG FÜR FEIGLINGE punktet mit schwarzem Humor, französischen Pointen und jeder Menge Workout für die Lachmuskeln.
Als Paul eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich… nein, nicht zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Schließlich lautet sein Nachname weder Samsa noch hat Kafka die Finger im Spiel. Stattdessen befeuert mit Clément Michels TRENNUNG FÜR FEIGLINGE ein waschechter Franzose den Komödien-Reigen am Kleines Theater in Salzburg – der Frankreich-Export beherrscht so einiges, ganz besonders aber die hohe Kunst des schwarzen Humors. Diese ironische Disziplin perfektioniert auch Caroline Richards mit ihrer Inszenierung des Erfolgsstücks: Nach der Premiere beim Wolfgangseer Sommertheaters macht die kurzweilige Produktion jetzt in Salzburg Station. Zurücklehnen, lachen und sich dabei wie Gott in Frankreich fühlen – oder zumindest wie sein gefallener Engel.
In aller Plot-Kürze
„Nur eine Woche… mehr nicht“ – so lautet der Originaltitel der französischen Komödie, die im deutschsprachigen Raum unter TRENNUNG FÜR FEIGLINGE firmiert. „Nur eine Woche… mehr nicht“ – ist auch der Zeitraum, den Paul seinem besten Freund Martin gibt, um sich bei ihnen einzunisten und Freundin Sophie so auf den Geist zu gehen, dass diese mit ihm Schluss macht. Denn mit Beziehungen Beenden hat es der Redakteur für landwirtschaftliche Geräte nicht so. Martin ist von Pauls Idee einer Ménage-à-trois allerdings wenig begeistert und auch Sophie reagiert so ganz anders als erwartet.
„Ana hat immer des Bummerl“
Dass Regisseurin Caroline Richards ihr Komödien-Handwerk versteht, ist bekannt. Mit TRENNUNG FÜR FEIGLINGE demonstriert Richards einmal mehr ihr Talent für schwarzen Humor und subtile ironische Noten. Zwischen den einzelnen Szenen und während der Umbauten dominiert Austropop, der – so möchte man meinen – das frankophile Flair stört. Mitnichten. Harmonisch fügen sich die musikalischen Austriazismen in den temporeichen Komödien-Reigen und sorgen für heiteres Schmunzeln; zumal Teile des Repertoires direkt nach Verklingen als Textstelle wieder auftauchen. Eine hübsche Idee, die das musikalische Arrangement noch stärker mit der Inszenierung verbindet und zum roten Faden oszilliert. Gleichzeitig dürfen auch zeitgenössische Politspitzen nicht fehlen; wenn Martin über einen angeblich neuen Barylli mit dem klangvollen Titel „Blauer Dunst über Ibiza“ philosophiert, dann erheitert die ironische Anspielung auch noch drei Monate nach der Affäre.
Ein Masterplan mit Hindernissen
TRENNUNG FÜR FEIGLINGE lebt vom Spiel mit der Sprache und dem fein nuancierten, bitterbösen Humor der Franzosen. Den hat das Trio auf der Bühne perfektioniert. Bálint Walter beispielsweise gibt den ehrlich echauffierten Fachjournalisten Paul, der gut und gerne auch als ITler durchgehen könnte. Es mag an den humorigen T-Shirts liegen, die ihm gewissen Nerd-Charakter attestieren. Zugleich greift Bálint Walter mit Pauls Attitüde diese nüchterne Richtung auf und intensiviert sie. Mit kaltschnäuzigem Charme erzählt sein Paul emotional entkoppelt von den Albträumen, die ihn regelmäßig plagen. Für Schweißausbrüche sorgt dabei aber nicht die Tatsache, dass in diesen Träumen immer wieder ein LKW seiner Sophie den Gar ausmacht. Das Problem ist für Paul vielmehr, dass Sophie ihm nach dem Aufwachen wieder quicklebendig gegenübersteht. Dabei wäre er sie doch so gerne los! Bálint Walter verdreht tradierte moralische Werte wie am Fließband und wirkt dabei so ehrlich empört, dass kein Auge trocken bleibt.
Die Geister, die er rief
Als Antagonist wider Willen entpuppt sich Martin (Wolfgang Kandler). Eigentlich höflich, bescheiden und ziemlich ordentlich, fällt es Martin sichtlich schwer, in die Rolle des rabiaten Unruhestifters zu schlüpfen. Wolfgang Kandler beweist sein Geschick, Gefühle und Stimmungen sehr körperlich nach außen zu transportieren und gerade dadurch noch anschaulicher zu gestalten. Während Martin also nicht nur höchst humorig und konsequent an Hämorriden laboriert, die ihn in unterschiedlichen Humpel-Stadien über die Bühne treiben, bereitet es dem Charakter sichtlich Mühe, eine Beleidigung auch nur zu formulieren. Abgehackt, hölzern und widerwillig vom Spickzettel lesend, erinnert dieser neue Martin an einen frischgeschlüpften Golem. Die Figur oszilliert zum Automaten, dessen DNA sichtlich gegen rüpelhaft, verschwenderisch und unordentlich rebelliert. Wolfgang Kandler zelebriert diese innere Zerrissenheit mit sehr viel Verve, Körperlichkeit und komödiantischer Überzeichnung. Niemandem entgleisen die Gesichtszüge anschaulicher als dem gebeutelten besten Freund, das findet auch beim Publikum hörbaren Anklang.
Ménage-à-trois am Kleines Theater
Unschuldiger Augenaufschlag, verklärtes Lächeln und immer verständnisvoll: Sophie (Sonja Zobel) ist die Inkarnation französischen Anmut und gleichzeitig Stein des Anstoßes. Graziös bewegt sich Sonja Zobel über die Bühne und mit der gleichen Hingabe, mit der sie den Charme von Sophie konstituiert, widmet sie sich im Anschluss auch seiner Dekonstruktion. Richtig gelesen, denn zur französischen féminité gehört ja auch dieses Quäntchen Skandal, so viel Authentizität muss sein. Aus der lieben, unschuldigen Sophie wird deshalb eine Femme fatale, der immer noch Reste ihres unschuldigen Mädchencharmes anhaften. Gleichzeitig wird an der Figur eindrücklich sichtbar: Hier war ein männlicher Autor mit Sympathien für das männliche Personal zugange. Die Dialoge von TRENNUNG FÜR FEIGLINGE drehen sich zum Gros und mit liebevoller Detailtreue um Paul und Martin. Die Femme verharrt Stück bedingt stärker im Hintergrund und dient als zierender Ornat. #freesophie
Die Ménaga-à-trois ist so lebendig wie nie zuvor und das Schauspieler-Trio hat sichtlich Freude am Plot-Twist – der zwar zu erwarten war, aber schlussendlich erstaunlich unvermutet eintritt. Die Überrumpelungstaktik zeigt Wirkung: Rien ne va plus, nichts geht mehr. Wirklich nichts…?! Immerhin handelt es sich bei TRENNUNG FÜR FEIGLINGE ja um eine französische Komödie und die macht ihrer Herkunft alle Ehre. Die Lachmuskeln werden in so hohem Maße beansprucht, dass am nächsten Tag für allzu Übermütige gar Muskelkater drohen könnte.
Fotonachweis: Christian Streili
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