„Goethe & Schiller Best Of“ im kleines theater
Wenn sich ein penibler Beamter die Bühne mit einer exzentrischen Schauspielerin teilt, ist Autor Peter Blaikner nicht weit. In GOETHE & SCHILLER BEST OF bleibt kein Klassiker auf dem anderen. Herrlich humorig, ziemlich flapsig und ohne Genierer.
Man muss es den beiden Dichterfürsten neidlos lassen. Der eine brach mit „Die Leiden des jungen Werther“ eine imposante Selbstmordwelle vom Zaun. Der andere sorgte mit der Uraufführung von „Die Räuber“ für „rollende Augen, geballte Fäuste, heisere Aufschreie im Zuschauerraum. Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe“. Diese Emotionen, diese Katharsis, das muss man erstmal schaffen. Für Goethe und Schiller offenbar ein Kinderspiel und die goldene Eintrittskarten in den deutschen Kanon.
Doch die Unsterblichkeit hat ihren Preis. Obwohl die beiden Dichter immer noch den Kanon dominieren und die Hitparade der deutschen Redewendungen anführen, stoßen sie bei wenigen Schülern*innen auf Gegenliebe. Ihre Wortkünste gelten bei der Mobiltelefon sozialisierten Generation Z als sperrig, ihre Syntax als veraltet. Den Sinn erfassen, das Feuer für die Dramen Goethes und Schillers entfachen? Fehlanzeige. Zeit für ein Update. Das liefert Regisseur Wolfgang Schröter recht eindrücklich mit einem Best of der beiden Dichterfürsten. Herrlich humorig, ziemlich flapsig und ohne Genierer. Kurzum, gelungen.
In aller Plot-Kürze
Ministerialrat Mausz hat die Schauspielerin Frau Brettwolf damit beauftragt, gemeinsam mit ihrem Kollegen die Werke Goethes und Schillers in kompakte 90 Minuten Spielzeit zu verpacken. Kurz vor der Premiere kommt es zum Streit, die Schauspielerin steht ohne zweiten Mann da und will das Projekt absagen. Davon lässt sich Herr Mausz nicht beirren. Er beschließt, sich selbst als Schauspieler zu erproben und übernimmt die fehlenden Parts.
Pointierte Diva
Des einen Freud ist des andern Leid. Frau Brettwolf (Judith Brandstätter) leidet sichtlich und sehr dramatisch. Wunderbar pointiert feuert sie eine Spitze nach der anderen in Richtung Beamter und geizt keinesfalls mit Allüren. Die flauen zwar nach kurzer Zeit wieder ab und große divaeske Gesten werden eingepackt, gleichzeitig regiert jetzt der spöttisch-herrische Ton. Die resolute Schauspielerin schickt Herrn Mausz durch die Szenen, dass ihm Hören und Sehen vergehen könnte, wäre er nicht so stur in seiner Euphorie für die Dichter.
Rote Zischlaut-Faden
Für Herrn Mausz lässt Peter Blaikner generös den Pedanten raushängen. Sein kleinlicher Beamter reitet immer wieder auf dem „sz“ des eigenen Namens herum. Herkunft der ungewöhnlichen Kombination? Unbekannt, wie Herr Mausz freimütig gesteht. Gleichzeitig weist die Anmerkung auf eine Sprachaffinität des Verfassers hin. Auch wenn Onomastik eigentlich als das Steckenpferd pensionierter Schuldirektoren gilt (konstatierte zumindest einst der Linguistik Professor), das textliche Best of von GOETHE & SCHILLER geht auf die Kappe von Peter Blaikner selbst. Und der ist ja gerade für seine Sprachjonglagen bekannt, die nicht nur Kinderstücke prägen.
Das kommt an. Kaum ein Auge bleibt trocken, wenn die einen „Schnecken necken“ und der andere das Moritat des jungen Werther zum Besten gibt. Übrigens eine sehr konzise Zusammenfassung des Goethe’schen Originals, die ins Ohr geht. Dem sz hält das Schauspiel-Duo Treue. Immer wieder zischt es durch den Raum und wird zum Running Gag, der bis zum Ende für Lacher sorgt. Dass dann auch noch Doktor Faust mit Boxhandschuhen auf der Bühne steht, trägt schon beinahe dadaistische Züge.
Pinzgauer Schimpfwortkunde
Genau wie für Judith Brandstätter gilt auch für Peter Blaikner, mehr ist mehr. Große Gesten begleiten das Spiel rund um das Repertoire der beiden Dichterfürsten. Das könnte zu viel des Guten sein, harmoniert in GOETHE & SCHILLER BEST OF allerdings hervorragend mit den ebenfalls großzügig applizierten Pointen. Das Niveau hält konstant Kurs. Besonders gelungen, Friedrich Schillers „Maria Stuart“. Für das lässt der penible Beamte jeden Anstand hinter sich. Umständlich zwängt er sich ins Frauenkleid, um dann mit schwarzer Lockenpracht seine Kontrahentin mit dialektalen Schmähworten zu überhäufen. Die Pinzgauer Schimpfwortkunde kommt so gut an, dass eine Zuschauerin in der Pause verkündet, sich so viel wie möglich davon merken zu wollen. Theater bildet offenbar in mehrerlei Hinsicht.
Subtile Kritik
Auch wenn es vielleicht den Anschein erweckt, das Best Of der Dichterfürsten ist keine seichte Komödie. Hinter dem, was da so locker daherkommt, steckt eine wohl arrangierte Zusammenfassung in täuschend flapsigem Tonfall. Die Reime zeugen von sprachaffiner Durchdachtheit und wahren konstant die Form. Garniert wird das Ganze mit eigener musikalischer Untermalung.
Wer genauer hinsieht, ahnt Kritik. Mit seinen politisch korrekten „Faust“-Korrekturen nimmt Peter Blaikner die Political Correctness der Zeit aufs Korn. „Habe nun, ach! Philosophie,/ Juristerei und Medizin,/ Und leider auch Theologie/ Durchaus studiert, mit heißem Bemühn./ Da steh ich nun, ich armer Tor!/ Und bin so klug als wie zuvor;“ klarer Fall von Ewigstudent und keinesfalls zu goutieren, wie Herr Mausz selbstbewusst feststellt. Genauso wie das nicht vorhandene Gendern bei Schiller. Frau Brettwolf echauffiert sich wunderbar über das Fehlen der Frauen beim Rütli-Schwur im „Wilhelm Tell“ und persifliert damit gleichzeitig implizit die eine oder andere Diskussion rund um die österreichische Nationalhymne und ähnliche verbale Obskuritäten.
Ansehen, dann klappt’s auch mit der nächsten Textinterpretation
Heitere Szenen gibt es in dieser Komödie zuhauf. Judith Brandstätter und Peter Blaikner führen in gefühlt hundert verschiedenen Rollen durch das Programm. Nimmer müde, immer voller Elan schaffen sie es, die Klassiker zu entstauben und ihnen einen neuen und sehr viel leichteren, zeitgenössischen Anstrich zu verleihen. Der mag nicht immer voller Ehrfurcht sein, gleichzeitig ist es gerade diese despektierlich nonchalante Note, die den Reiz des GOETHE & SCHILLER BEST OF konstituiert und die Zuschauer*innen zu weiteren Lachanfällen motiviert. Kleiner Tipp an alle Schüler*innen: ansehen. Dann klappt’s auch mit der nächsten Textinterpretation. Ganz egal ob Goethe oder Schiller.
Fotonachweis: Sigrid Riepl
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