It’s a holly jolly… post Lockdown Premiere: „Schöne Bescherung“ am Salzburger Landestheater sorgt mit pointenreichen Dialogen und schwarzem Humor für Lachtränen unterm gigantischen Weihnachtsbaum.
Genau genommen wurde Alan Ayckbourns Komödie bereits zweimal verschoben. Das erste Mal vor dreizehn Monaten, das letzte Mal vor wenigen Wochen. Typisch Corona, könnte man jetzt resigniert einwerfen, das greift allerdings zu kurz. Schließlich setzt der Abend mit sehr motiviertem Ensemble ein positives Zeichen für das Kommende. Corona-Blues adé. Lieber absolvieren die Theaterbesucher*innen in bester Laune 2G-Kontrollen, um dann bunt maskiert fast das ganze Landestheater zu füllen. Was wiederum beachtlich ist, schließlich wurde die Premiere erst letzte Woche angesetzt. Als Belohnung für so viel Publikumseuphorie winken britischer Humor und ein so gar nicht besinnliches Fest, das auch den härtesten Weihnachtsmuffel noch ein Schmunzeln hervorzulocken vermag.
In aller Plot-Kürze
Was wäre das Fest der Liebe ohne die liebe Familie, die jedes Jahr anrückt, um gemeinsam friedlich zu feiern? Alles soll perfekt sein am wichtigsten Tag des Jahres. Doch je heller die Kerzen am Weihnachtsbaum brennen, desto schneller gerät der Familienfrieden in Gefahr. Onkel Harvey will den Kindern echte Gewehre schenken und Onkel Bernard nervt alle mit seinem Puppentheater.
Süßer die Streitigkeiten nie klingen
Jeder kennt es. Spätestens wenn sich die ganze Familie zum Fest versammelt hat, tauchen die ersten Konflikte auf – bis die Sache so richtig eskaliert. Das liegt an den Sehnsüchten nach Liebe und Harmonie, die eng mit dem Weihnachtsfest verknüpft sind und im Widerspruch zur Realität stehen. Des einen Leid ist aber bekanntlich des andern Freud, vor allem bei Alan Ayckbourn. Der britische Drehbuchautor betrachtet Weihnachten als explosiven Sprengstoff, der nur darauf wartet, allen um die Ohren zu fliegen. Wo also ließe sich besser Stoffnachschub gewinnen als unterm Baum? Er verfasste gleich ein ganzes Stück darüber. Was den Wahrheitsgehalt anbelangt, darf gerätselt werden, immerhin so viel ist fix: „Schöne Bescherung“ ist eine pointenreiche Komödie, die Thomas Enzinger in Salzburg so lebendig inszenierte, dass kein Auge trocken bleibt.
Leise rieselt der Zoff: „Schöne Bescherung“
Die festive Stimmung ist bei Enzingers „Schöne Bescherung“ nicht von der Hand zu weisen. Vielleicht liegt es auch an Bühne und Kostüme (Toto). Immerhin ist beim überdimensionalen Weihnachtsbaum mehr auch wirklich mehr. Oder in diesem Fall sehr viel mehr. Das gigantische Ding ist so groß, dass die Stimme der Schauspielerin immer wieder wie aus einem anderen Raum erklingt, sobald sie die Leiter zur Tanne erklimmt. Apropos. Julienne Pfeil ist eine herrliche Belinda. Quirlig und charmant mimt sie die perfekte Stepford-Frau, bei der jede Locke und jedes glockenhelle Lachen sitzt – nur um dann in ein aggressives Gebell zu münden, wenn der perfekte Gatte es allzu bunt treibt oder die Schwägerin zu sehr mit dem Alkohohl kokettiert. In „Schöne Bescherung“ marschieren alle Stereotypen einer Familie auf. Da ist der gelangweilte Göttergatte (Matthias Hermann in kühler Manier) oder auch die Bücherwurm-Schwester, die genauso verklemmt daherkommt, wie alle munkeln (Genia Maria Karasek auf den Punkt).
Stille Nacht, laute Nacht
Seltsam kann allerdings auch der angeblich so sanftmütige Bernard. Christoph Wieschke lässt die Figur vom ausgeglichenen Schwager zum ausfälligen Pendant changieren, der tödlich beleidigt reagiert, wenn die hochschwangere Pattie (Lisa Fertner) seine identischen Puppentheaterfiguren nicht zu unterscheiden vermag. Deren Mann Eddie (Maximilian Paier) wiederum ist die Einfalt vor dem Herren, der lieber die Spielzeuge der Kinder zerlegt, als seiner Frau beizustehen. Der Onkel des Hauses (Walter Sachers als Harvey) macht die Sache kaum besser, sondern bringt mit seinen regelmäßigen verbalen Entgleisungen noch die richtige Brise Aggression ins Geschehen. Hier bleibt kein Klischee unbedient. In wunderbar temporeichen Dialogen wirbeln die Vorwürfe, Missverständnisse und Anschuldigungen nur so durch die Luft. Gerne Zielscheibe, Clive (Skye MacDonald), der Schriftsteller ohne große Publikation, aber mit jeder Menge romantischer Ambitionen. Das kürt ihn selbst zum Agens, der die Handlung weiterhin auf Tempo 180 hält.
Übrigens, famos festiver Einfall: Die Umbauten führt das ebenfalls sehr motivierte Bühnenpersonal durch, das als weihnachtliches Tribut Engelsflügelchen erhalten hat. Das fügt sich wunderbar in die tatsächlich weihnachtliche Stimmung einer Produktion ein, der es gelingt, das griechische Alphabet außen vor zu lassen. Absolut sehenswert.
Fotonachweis: Tobias Witzgall
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